Fliegende Fichten und die Tücken der Technik

Rekordbeteiligung bei 12. Dreikampf-Weltmeisterschaft im Weihnachtsbaumwerfen in Weidenthal – Frank Schwender siegt zum fünften Mal

Voller Einsatz bei der Weltmeisterschaft: Victoria Gröschel aus Mannheim beim Weihnachtsbaum-Schleuderwurf. Foto: LM

Das Gewicht der Fichte ist nicht das Problem, sondern ihre Form. Von Aerodynamik keine Spur, merke ich, als sie bei 3,85 Meter niedergeht und etwas vorwurfsvoll dreinblickend, finde ich, liegen bleibt. Mein Debüt bei der ­Weltmeisterschaft im Dreikampf-Weihnachtsbaumwerfen ist ausbaufähig. Aber zwei Disziplinen kommen ja noch.

Weit-, Hoch- und Schleuderwurf: Dass die Bäume in Weidenthal jährlich im Januar fliegen, hat mit dem Knutfest zu tun. Die Alten Herren des Fußballclubs Wacker Weidenthal hatten einst im privaten Rahmen ihre bereits ziemlich nadellosen Weihnachtsbäume verbrannt. 2002 wurde daraus ein öffentliches Fest, vier Jahre später kam der Dreikampf dazu. Die Idee zieht auch bei der 12. Weltmeisterschaft. Ganze Familien stehen an den Wurfanlagen, Kinder feuern ihre Mamas an, Mamas ihre Ehemänner. Rick Taylor ist mit seinen 6,15 Meter beim Weitwurf zufrieden. „Das ist der erste Baum, den ich jemals geworfen habe“, sagt der Kalifornier, der in der Pfalz lebt.

Unterdessen wird es laut. Herbert Laubscher, Chef des Knutfests, sagt die „Weihermer Schneckenschleimer“ an. Der Bus der Guggenmusiker fährt laut hupend vor, wenig später machen die bunt bemalten Badener Stimmung. Ob Werfer oder nicht, der Glühwein in großen Bierkrügen findet guten Absatz. Ich verzichte lieber, will nicht, dass es mir beim Schleuderwurf so geht wie manch anderem, der sich mit dem Baum über dem Kopf schwindlig dreht. Diesmal nehme ich die Handschuhe, der Strick liegt gut in der Hand. 5,51 Meter. Trotz Gegenwind. Na also. Obwohl sich nach dem zweiten Wurf mein Arm meldet. Vielleicht hätte ich mit dem Weihnachtsbaum, den ich heute morgen auf die Straße gestellt habe, doch üben sollen am Gartenzaun. Aber die gewählten 3,50 Meter überwerfe ich auch so, die vier Meter hohe Stange will das Bäumchen dann aber nicht liegen lassen. Doch dabei sein ist alles.

Das gilt auch für Reiner Nabinger. Das 79-jährige Knutfest-Gründungsmitglied überantwortet einen abgetakelten Weihnachtsbaum nach dem anderen den Flammen. Was durch die Öle in den Nadeln zur Freude der Kinder regelmäßig zu einer wahren Feuersbrunst führt und dicken Qualm in den Himmel entlässt. Die Feuerwehr ist im Vorfeld informiert, versichert Nabinger, der seit 16 Jahren frisch zum Fest im Gemeindewald Bäume schlägt. Denn fürs Werfen taugen die Weihnachtsbäume nicht. „Die hätten ja sofort keine Nadeln mehr.“

Auch so sehen die Wurffichten mittlerweile etwas geschunden aus. Was die Flugeigenschaften für die letzten Werfer aber nicht unbedingt verbessere, beeilt sich ein Ehrenamtlicher zu sagen, der dem Ende des Wettkampfs entgegenfiebert. Im Flutlicht tritt Weltrekordhalter Frank Schwender aus Frankeneck an, der später gewinnen wird. Seine Gesamtleistung von 22,47 Meter wie auch alle anderen rund 300 Einzelweiten übertragen Hildegard Schöneberger und Wolfgang Jeblick in den Computer. Ebenfalls eine Leistung.

Wie die der anderen rund 50 Ehrenamtlichen, die unter anderem Kuchen mit Zucker-Weihnachtsbaumdeko verkaufen oder das Gelände mit Schwedenfahnen dekoriert haben. Die weisen darauf hin, dass der St.-Knuts-Tag aus Skandinavien stammt. Am 13. Januar endet dort die Weihnachtszeit. Benannt ist der Tag nach Knut IV., ehemals dänischer König und Schutzpatron des Landes. Er suchte für seine Politik die Hilfe der Bischöfe, wurde aber schließlich in einer Kirche in Odense erschlagen und später zum Heiligen erklärt, erzählt Laubscher.

Er ist gedanklich schon im nächsten Jahr. Man könnte einen Leichtathleten einladen, um zu sehen, was für Leistungen möglich sind, denkt er laut nach. Auch wenn das Internationale Olympische Komitee die Aufnahme der Sportart für Olympia erst einmal abgelehnt hat. Für Kalifornier Taylor, den ich am Feuer wiedertreffe, wird es schließlich Platz 25, ich lande 20 Plätze dahinter. „Nächstes Jahr will ich ein bisschen trainieren“, sagt Taylor. Warum nicht, denke ich bei mir. Vielleicht lässt sich ja schlechte Aerodynamik durch Technik doch austricksen. Florian Riesterer

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