Im Sommer zur Winterkirche an den Wörthersee

Pfarrer Oliver Beckmann aus Neustadt war zum dritten Mal zur Urlaubsseelsorge in Österreich – Gottesdienste in katholischer Kirche gehalten

Für zwei Wochen Kirche der Protestanten: Die katholische Rosenkranzkirche im österreichischen Maria Wörth. Fotos: pv

Seelsorger auf Zeit: Oliver Beckmann hat sich für zwei Wochen um Protestanten im österreichischen Maria Wörth gekümmert.

Eine kircheneigene Bucht zum Schwimmen: Nein, die hat Pfarrer Oliver Beckmann in Neustadt nicht. Das dürfte aber sicher nicht der Grund gewesen sein, weshalb er sich dazu entschieden hat, zwei Wochen Urlaubsseelsorge in Kärnten anzutreten. Malerisch liegt das Örtchen Maria Wörth am Wörthersee im Süden Österreichs, die Halbinsel, die in den See ragt, krönt die katholische Pfarrkirche, daneben liegt die Rosenkranzkirche, die den Katholiken als Winterkirche dient. Hier – wenige Autominuten vom nahen Slowenien und Italien entfernt, hat Oliver Beckmann zwei Wochen im katholischen Gotteshaus vor Einheimischen und Touristen gepredigt, gebetet und gesungen. Trauungen und Taufen waren verboten, das Abendmahl wurde von katholischer Seite toleriert. Ein eigenes Gotteshaus haben die Protestanten, die in Österreich nur rund fünf Prozent der Bevölkerung ausmachen, im Ort nicht.

„Spannende Einblicke in den Alltag einer fremden Kirchengemeinde vor Ort“ sei sicher einer der Gründe gewesen, sich für eine der rund 65 Urlaubsseelsorgestellen der Evangelischen Kirche in Deutschland zu bewerben, sagt Beckmann. In diesem Sommer ist er der einzige Pfarrer der pfälzischen Landeskirche, der das getan hat. Und er ist Wiederholungstäter. Zweimal war er in den vergangenen sieben Jahren für zwei bis drei Wochen als Urlaubsseelsorger im Ausland, beide Male in Österreich. Mittlerweile ist er mit den Herausforderungen der Kollegen in den dortigen Diasporagemeinden vertraut. So müssen die Kirchengemeinden in Österreich beispielsweise die Kirchensteuer selbst eintreiben. Zudem seien Pfarrer verpflichtet, mindestens acht Wochenstunden in der Schule zu unterrichten, um ihre Pfarrstellen zu refinanzieren. „Bei uns sind es maximal vier.“ Außerdem seien die Kirchengemeinden von der Anzahl der Mitglieder wie auch von der Fläche her deutlich größer. In jedem Fall eine Herausforderung für die Pfarrer vor Ort.

Im Kirchenhüter- und Seelsorgedienst hat Beckmann bemerkt, dass die Leute während ihres Urlaubs oft nicht nur mehr Zeit für Gespräche hätten als im Alltag, sondern auch offener über Kirche und ihren Glauben redeten. Das liege wohl auch daran, dass er als Seelsorger auf Zeit quasi anonym sei. „Das Erzählte bleibt dort zurück, wo man Urlaub gemacht hat.“ Mitunter ist diese Offenheit für den Neustadter Pfarrer irritierend. So sprach ihn die Reiseleiterin einer italienischen Touristengruppe an, ob durch die evangelischen Gottesdienstfeiern nicht der katholische Kirchenraum entweiht werde. Es sei doch ein christlicher Gottesdienst gewesen, habe er ihr entgegnet. Und schließlich sei es doch ein und derselbe Wanderprediger aus Nazareth, auf den sich sowohl evangelische als auch katholische Christen berufen würden.

Mitgenommen an Erlebnissen hat Beckmann noch eine ganz andere berührende Geschichte. An seinem letzten Gottesdienst in Maria Wörth traf er auf ein deutsches Ehepaar. Vor 20 Jahren erkrankte die Frau an Krebs, die Ärzte gaben ihr nur noch wenige Monate. Durch die damals neue Stammzellentherapie habe sie aber überlebt. Seit Jahren kommen sie schon nach Maria Wörth. Dass dass Lied „Geh aus mein Herz“, das Beckmann für den Gottesdienst ausgesucht hatte, auch bei ihrer Hochzeit vor mehr als 40 Jahren eine Rolle spielte, konnte er ja nicht ahnen.

Alles in allem war der Dienst für Beckmann eine interessante Erfahrung. Zum Reformationsjubiläum haben Mitglieder der Protestantischen Kirche in Österreich ein Schiff gebaut, das den Wörthersee abfährt – mit Gottesdiensten an Bord. Und der Pfarrer entwirft schon Zukunftsszenarien. „Ich kann mir vorstellen, in den nächsten Jahren in einem nichtdeutschsprachigen Land wie beispielsweise Frankreich oder Polen eine Urlaubsseelsorgestelle anzutreten.“ Ob dort allerdings auch die katholische Haushälterin zum Schwimmen einlädt, bleibt dahingestellt. Florian Riesterer

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