Nischenprodukt im Aufwind

Immer mehr Anleger investieren ethisch-nachhaltig – Evangelische Landeskirche bedient sich Experten

Windräder sind eine Möglichkeit, Geld nachhaltig anzulegen. Foto: Stepan

Nachhaltig angelegt: Die Landeskirche ist an einem Windrad zwischen Bubenheim und Kindenheim beteiligt. Foto: Stepan

Beim Einsturz eines Geschäftsgebäudes 2013 in Bangladesch kamen 1135 Menschen ums Leben, mehr als 2000 wurden verletzt. Die Opfer waren größtenteils Textilarbeiterinnen. Betreiber hatten sie gezwungen zu arbeiten, obwohl die Polizei das Gebäude tags zuvor wegen Rissen gesperrt hatte. Die Tragödie hatte gezeigt, dass es immer noch Unternehmen gibt, die menschenverachtende Arbeitsbedingungen tolerieren oder sogar unterstützen.

Ethisch korrekte, fair gehandelte Kleidung ist längst ein Thema in den Abnehmerländern. Und so ist in Bangladesch beim Thema Sicherheitsstandards viel passiert. Aber nicht nur über den Kauf entsprechender Produkte nehmen Händler und Endverbraucher Einfluss, sondern auch über die Firmen selbst. Immer mehr Menschen wollen wissen, wer ihr Geld bekommt, das sie Banken und Fondsmanagern anvertrauen oder in Lebensversicherungen einzahlen.

Seit der Finanzkrise 2008 gibt es ein zunehmendes Interesse an ethisch-nachhaltiger Anlagepraxis und „einer nachhaltigen Neuausrichtung der Kapitalmärkte im Allgemeinen“, sagt die Leiterin der Finanzabteilung der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heid­run Schnell. So waren in Deutschland nach einer Studie des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG) Ende 2017 rund 171 Milliarden Euro in nachhaltige Geldanlagen investiert. Auch wenn dies gemessen am gesamten Kapitalanlagemarkt nur drei Prozent waren, ist es trotzdem ein neuer Rekord. Vor zehn Jahren betrug der nachhaltige Anlagebetrag nur 13,1 Milliarden Euro oder 0,5 Prozent des gesamten Marktes.

Was den Gesamtmarkt betrifft, sind Privatanleger mit neun Prozent allerdings noch in der Minderheit, sagt Anne-Marie Gloger, Referentin bei FNG. Zwar hätten viele Direktbanken mittlerweile entsprechende Produkte im Angebot. Und 60 bis 70 Prozent der Anleger bevorzugten Studien zufolge nachhaltige Geldanlagen. Doch oft bekämen die Anleger von den Angeboten nichts mit.

„Den Banken vor Ort ist zumeist daran gelegen, eigene Produkte zu verkaufen“, sagt Marcel Malmendier, Geschäftsführer der Qualitates GmbH und Investmentberater mit der Ausrichtung nachhaltiger Geldanlagen. Da es diese Ausrichtung aber noch nicht flächendeckend gebe, würden Berater von Banken nicht geschult, dahingehende Empfehlungen zu machen. Ob die EU mit ihrem Aktionsplan, die Banken zu nachhaltiger Beratung zu verpflichten, Erfolg haben wird, sei daher dahingestellt.

Bei institutionellen Kunden hat längst ein Umdenken eingesetzt. So hat sich der norwegische Staatsfonds als größter Staatsfonds der Welt von 2006 bis 2016 aus 66 Unternehmen zurückgezogen. Walmart war wegen der Missachtung von Arbeitnehmerrechten nicht mehr tragbar, der weltgrößte Aluminiumproduzent Rio Tinto wegen Umweltzerstörungen. Ähnliche Ausschlusskriterien nennt auch der Leitfaden für ethisch-nachhaltige Geldanlagen, den der Arbeitskreis Kirchlicher Investoren (Aki) alle paar Jahre neu erarbeitet (siehe Kasten). An ihm orientiert sich auch die pfälzische Landeskirche.

Experten des US-amerikanischen Finanzdienstleisters Morgan Stanley Capital International (MSCI) prüfen für die Evangelische Ruhegehaltskasse Darmstadt, die einen Teil des Vermögens der Landeskirche verwaltet, Länder und Aktiengesellschaften auf die Kriterien des Aki hin. „Sie schauen in Jahresberichte rein, gehen auf Aktionärsversammlungen“, sagt Oberkirchenrätin Karin Kessel. Die Analyse bekommt die Landeskirche auch für eigene Investments, die Fondsmanager tätigen. „Anders wäre das nicht zu bewerkstelligen.“ Wöchentlich bekommt Kessel Rückmeldung, wie sich die Zusammensetzung der Fonds verändert. „Italien war wegen der hohen Korruptionsrate einmal draußen, nun ist es wieder drin.“ Aktuell werde nur in Europa investiert, im Gespräch sei aber der amerikanische Markt.

Neben Investitionen in Fonds beteiligt sich die Landeskirche über den Pfründestiftungsverband mit 765000 Euro an einem Windrad der Pfalzwerke in Bubenheim, ebenfalls ein nachhaltiges Investment und Teil des Klimaschutzkonzepts. Eine zweite Windradbeteiligung ist laut Kessel momentan in Planung. Überlegungen zu Investitionen in Solarenergie oder Biomasse in der Region seien verworfen worden; erstere, weil Solarzellen in Deutschland häufig landwirtschaftlich nutzbare Flächen abdeckten, letztere, weil aus essbaren Nutzpflanzen Energie gewonnen werde. Anteile an sogenannten Green Bonds, grüne Themenfonds zu speziellen Anlagebereichen, etwa im Bereich nachhaltiger Waldbewirtschaftung, hält die Landeskirche derzeit nicht. Experten von MSCI prüften aber, ob es hier Möglichkeiten gibt, sagt Kessel.

Noch etwas strenger als für die Landeskirche ist die Kapitalanlagerichtlinie für die Kirchengemeinden, die neben Liquidität, Sicherheit und Rendite ebenfalls Ethik und Nachhaltigkeit berücksichtigen sollen, sagt Kessel. Viele machten von der Möglichkeit Gebrauch, über die Fonds der Landeskirche mit einem zwar relativ niedrigen aber garantierten Zins Geld anzulegen, das jederzeit schnell verfügbar sei. „Einige werden aber wohl auch zu örtlichen Banken gehen.“

Eines ist ihr wichtig zu betonen: Durch Anwendung der Nachhaltigkeitskriterien entsteht kein Nachteil bei der Rendite. Dies bestätigten mehrere Studien. Ausreden, sich aus finanzieller Sicht in diesem Feld nicht zu engagieren, gibt es laut Kessel nicht. „Wir sind lange belächelt worden. Unternehmen ausschließen, das funktioniert nicht, hat es geheißen.“ Jetzt müsse man kons­ta­tie­ren, dass sich doch etwas bewege. Das zeigt sich am Verhalten von Banken, aber auch den wachsenden Möglichkeiten ethischer Investments, betrachtet man die Ausstellerliste beim Branchentreff für nachhaltige Investments Anfang November in Ladenburg: Von LED-Industriebeleuchtung über ökologische Aufforstung bis hin zur Schwarmfinanzierung. Nachhaltigkeitsexperte Malmendier, selbst Presbyter, sieht bei Investoren in jedem Fall noch Steigerungsmöglichkeiten: Ich glaube, dass das Potenzial der Kirchen bei ­diesem Thema noch nicht aus­ge­schöpft ist.“ Florian Riesterer

Arbeitskreis feiert Jubiläum

Der Arbeitskreis Kirchlicher Investoren in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat am vergangenen Mittwoch in Kassel sein zehnjähriges Bestehen gefeiert.

Nach der Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers, die eine weltweite Finanzkrise auslöste, beschloss die EKD, einen Arbeitskreis einzuberufen, dem die größten Anleger im evangelischen Raum angehören sollten. Eingeladen wurden institutionelle Investoren der evangelischen Kirchen und Diakonie. 2009 brachte der Kreis einen „Leitfaden für ethisch-nachhaltige Geldanlage in der evangelischen Kirche“ heraus. Aktuell wird die vierte Auflage vorbereitet.

Ausgeschlossen sind darin unter anderem Unternehmen, die an der Entwicklung oder Herstellung von Rüstungsgütern beteiligt sind, Unternehmen, die Spirituosen oder Tabakwaren herstellen, kontroverse Formen des Glücksspiels, Unternehmen, die systematisch Menschenrechte verletzen oder menschenunwürdige Arbeitsbedingungen tolerieren. Bei vielen Ausschlusskriterien ist allerdings ein Schwellenwert von zehn Prozent festgesetzt. Anders blieben durch Zulieferketten kaum noch Möglichkeiten des Investments, sagt Oberkirchenrätin Karin Kessel. Einige Bereiche, wie die Waffenproduktion, seien dazu ein zweischneidiges Schwert in der Beurteilung. „Einerseits wollen wir nicht, dass Menschen in Kriegen getötet werden. Andererseits werden Waffen für die Polizei gebraucht.“ epd/flor

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