Kirche weiterdenken bei Gulasch und Flammkuchen

Der Stammtisch für Entdecker der ökumenischen Initiative „Schon jetzt“ ist rund ein Jahr alt – Zu Besuch im Frankenthaler Brauhaus „Zur Post“

Impulse für Kirchenentdecker: Die Initiatoren regen an, sich die eigenen Vorstellungen von Kirche bewusst zu machen. Foto: Bolte

Es riecht nach Flammkuchen und Gulaschsuppe, mit einem Tablett voller Getränke bahnt sich ein Kellner seinen Weg zu dem großen Tisch im Frankenthaler Brauhaus „Zur Post“. Der Ort für den „Stammtisch für Entdecker“ der ökumenischen Initiative „Schon jetzt“ könnte treffender nicht sein. Nur ein Stammtisch-Schild haben Stefanie Schlenczek vom Missionarisch Ökumenischen Dienst der Landeskirche und Pastoralreferent Felix Goldinger vom Bistum nicht im Gepäck. Dafür jede Menge Fragen für die Teilnehmer und ein Gebet – passenderweise auf Bierdeckel gedruckt.

Seit etwas mehr als einem Jahr schon loten sie mit Teilnehmern der regelmäßigen Treffen quer durch die Pfalz aus, wie neue Formen von Gemeinde aussehen könnten. Und vor allem, wie Gemeindemitglieder Ideen verwirklichen können, die ihnen selbst wichtig sind. Ein gutes Dutzend Augenpaare blicken auf Goldinger, der den ungewöhnlichen Ort erklärt. „Raus aus der Sicherheitszone, den Blick weiten auf all jene, die Interesse am Glauben haben könnten, aber den Weg in Kirchen und Gemeindehäuser scheuen.“

Vor dem Sammeln von Ideen stellt Pastoralreferent Peter Hundertmark ein Projekt vor, das bereits gewachsen ist. Zwölf Menschen haben sich aus dem ökumenischen, geistlichen Übungsweg „Erdverbunden“ zu einem Netzwerk zusammengefunden. Das Ziel: Zehn neue Gemeinschaften, die das Thema Nachhaltigkeit und Ökologie in den Blick nehmen. Gerade wegen dieses Themas sind viele an diesem Abend gekommen, etliche davon sind Katholiken aus der Pfarrei Nardini in Germersheim. „Wir wollen ein Fastenprojekt anregen vor Ostern und ein faires Gemeindefest“, sagt Ulrike Kaiser. Und folgt man den Diskussionen der Stammtischteilnehmer über Bioläden, Massentierhaltung und den ökologischen Fußabdruck, hat das Thema durchaus das Zeug, im Zentrum von neuen Gemeindeformen zu stehen. Wobei neu nicht bedeutet, dass altes schlecht sein muss, geht Goldinger auf eine irritierte Rückfrage einer Besucherin ein – und leitet zur Runde in Kleingruppen über.

„Was ist mein Reich-Gottes-Thema?“ steht auf einem Bierdeckel vor Dominik Schek. Der 26-Jährige ist in der Ausbildung zum Pastoralreferenten in Speyer. „Wie erreiche ich Menschen überhaupt?“, lautet Scheks Antwort. Und der Katholik führt aus: Die Menschen nach ihren Ideen fragen, eine Wohlfühlatmosphäre schaffen. Oft kann das schon ein gut geheizter Gemeinderaum mit Teppichboden sein. Wo Kirche auch ansetzen könnte: Formen von Gemeinschaft; Treffpunkte beispielsweise auf dem Land für ältere Menschen, die nicht mehr so mobil sind. „Das Thema Glaube muss da nicht mit Gewalt im Zentrum stehen.“

Vor allem ist klar. Es braucht bei allen Ideen Menschen, die sich trauen, sie umzusetzen. Anna Mathes aus Lingenfeld etwa. Die junge Frau kam aus Polen nach Deutschland und kennt von dort das Weihnachtsbaumbesingen am 1. Januar. „Ich habe das an Silvester meiner Nachbarin erzählt.“ Einen Tag später standen sieben Frauen bei Mathes vor der Tür. Sie sangen Weihnachtslieder, brachen nach polnischer Tradition für sich gegenseitig Stücke von der Weihnachtsoblate ab und tauschten gute Wünsche für das neue Jahr aus. „Bei der Nachbarin aus Kasachstan ging es mit Wodka weiter“, sagt Mathes. Darunter eine Menge Leute, die eigentlich nichts mit Kirche zu tun hatten und jetzt sicher sind: Das machen wir im neuen Jahr wieder. „Eine super Idee“, findet der 62-jährige Prädikant Siegfried Gleich, Mitglied der evangelischen Kirchengemeinde in Ruchheim.

Nach einer Stunde Gespräch kommt der Bierdeckel mit dem Gebet zum Einsatz. Alle sind sich einig laut zu beten. Tatsächlich wirkt das Gebet im Brauhaus anders, zumindest für mich. Weniger selbstverständlich zwischen den Resten von Flammkuchen und Gulaschsuppe. Aber vielleicht gerade darum umso verbindlicher. Florian Riesterer

Nächste Stammtischtermine: 15. Februar, Neustadt, 25. März, Kaiserslautern; Wochenende für Kirchenentdecker, 5. bis 7. April, Ludwigshafen, Informationen auf www.schon-jetzt.de.

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