Jenseits von Bach und Brahms

Fünftes Band- und Chorfestival in Landau zeigt Querschnitt durch die evangelische Popularmusikszene

Sind nicht nur in der Westpfalz unterwegs: Andi Rauth und Band. Fotos: pv

Gitarre satt: Die „Pälzer Saidezerrer“ haben in der Stiftskirche ein Heimspiel. Fotos: pv

Die gotische Stiftskirche, im Herzen der Flaniermeile von Landau, wird erneut das Bühnenbild liefern: Eine Lightshow in Blau-Gold-Rot-Tönen, viel Technik und eine Großraumbühne gleich hinter dem Altar: Auch das fünfte Band- und Chorfestival anlässlich des 39. Landeskirchenmusiktags wird am Samstag, 2. Juni, ab 14 Uhr wieder Besucher aus Nah und Fern und jede Menge Laufkundschaft ins mit satten Klangereignissen prunkende Kirchenschiff locken. Vor zwei Jahren jedenfalls hat das schon einmal hervorragend funktioniert. Chapeau!

Professionell moderiert – in diesem Jahr durch den Hörfunk erprobten Pfarrer Stefan Mendling, Privatrundfunkbeauftragter der Landeskirche – läuft dort ein Programm ab, das alle Zutaten fetziger, grooviger Musik in sich vereinen will: Rhythm, Drive, Hitze.

Pouplarmusik in der Kirche ist ein weites Feld. Im Begriff Sacro-Pop beispielsweise ist vieles enthalten. Coverversionen der „Wise Guys“ und „Prinzen“ genauso wie Filmmusiken aus „Wie im Himmel“, „Die Kinder des Monsieur Mathieu“ oder Ohrwürmer wie „Nights in white Satin“. Dazu kommen Jazz, Black Gospel und natürlich Spirituals von jenseits des großen Teichs, Versenkung, schwüler Negro-Blues, swingende Hoffnung.

Reiche musikalische Ausbeute jedenfalls, nicht selten neu getextet. Denn auf den Flügeln vieler wundervoller Hit-Titel lässt sich die Botschaft, um die es geht, meist blendend transportieren. Die Popularmusik, so klärt ihr Protagonist und Spiritus Rector des Festivals, Maurice Croissant auf, schöpft aus unendlich weitverzweigten Quellen, integriert ganz selbstverständlich globale Einflüsse und manch exotischen Akzent. „Aber immer steht sie für ein ethisches Grundmuster, einen Wertekatalog und eine Botschaft, die Frieden, Toleranz und Humanität impliziert.“

Dass viele der Akteure, die sich beim fünften Band- und Chorfestival in flottem Schlagabtausch präsentieren werden, ganz solide klassische Ausbildungen absolviert haben, stört nicht wirklich. Die Arrangements, ob Bandformation, Jugend- oder Frauenchor, Gospelcrew oder Gitarrenensemble, sind griffig, pfiffig, die Neutextung der Coverversionen größtenteils poesiebeflissen mit Tiefgang, die Ausführung und Gestaltung erreicht größtenteils Studioniveau. Nicht selten können die Ensembles Wettbewerbserfolge vorweisen. Aber: Ihre Bühne ist vornehmlich der Altarbereich – jenseits des Festivals statten sie Gottesdienste, Hochzeiten, Taufen und ab und an eben auch mal eine weltliche Veranstaltung aus.

Mit sieben von elf teilnehmenden Gruppen ist die West- und Nordpfalz in diesem Jahr stark vertreten. Wenn die Teilnehmer nach einem Geleitwort von Oberkirchenrat Manfred Sutter an den Start geht, werden im jeweils 20-minütigen Schlagabtausch die „NeW Brass Big Band“ aus Neustadt-Mußbach, die Gottesdienstband „S.I.G.N. – Spielen in Gottes Namen“ aus Dudenhofen, die „Pälzer Saidezerrer“, zu Hause in Landau, Andi Rauth und Band aus Pirmasens und das Lemberger Saxofon-Quartett „Just 4 Saxes“ auf der Bühne Platz beziehen. Danach folgen der Chor „PraySing“ aus Kaiserslautern, das Trio „Ääfach annerschd“, beheimatet in Schönau, „ChorAct“ aus Walsheim an der Blies, das Musikteam vom Zweiten Gottesdienst an der Johanneskirche in Speyer und der Jugendchor „Unisono“ aus Pirmasens nebst Musikteam der Johanneskirche Pirmasens mit Namen „special edition“.

Shootingstar des Festivals schließlich ist am frühen Abend die Britin Judy Bailey mit ihren Musikern. Die attraktive Sängerin karibischer Herkunft, in London geboren, ist praktisch im Kirchenchor aufgewachsen; hat schon als Achtjährige die Herzen der Zuhörenden betört, dann erstmals mit 17 zur Gitarre gegriffen und auch gleich ihre eigenen Songs verfasst. Sie gewann Auszeichnungen, produzierte mehrere erfolgreiche Alben. Und arbeitete fortan mit Gastmusikern, unter anderen den „Söhnen Mannheims“ oder Künstlern aus der Karibik, Kroatien, Südafrika, Pakistan oder Palästina mit. Ihre Lieder, zum Beispiel „Show me Lord“ oder „Jesus in my house“, fanden mittlerweile den Weg in viele Gemeindeliederbücher. Judy Bailey ist eine charismatische Künstlerin, stark im Glauben und seiner groovigen Vermittlung; eine Weltmusikerin von Rang. Und sie kommt nach Landau.

Topmanager für das so schon im Vorfeld Erwartungen beflügelnde Performanceprojekt ist, wie erwähnt, Maurice Croissant, Bezirkskantor in Pirmasens mit ganz klassischem Dienstauftrag. Aber gleichzeitig, wie seine Bezirkskantorkollegen Tobias Markutzik und Stefan Ulrich, Beauftragter der Evangelischen Kirche der Pfalz für die Popularmusik. Mit einem kleinen Team und glücklichen Händchen für Organisation ist Croissant jetzt schon zum fünften Mal auf dem Weg dorthin, das perfekt in Szene zu setzen, was derzeit jenseits von Bach und Brahms an selbstbewusster evangelischer Kirchenmusik in der Pfalz vorhanden ist. Die Landauer, das darf man sicher unterstellen, werden es erneut goutieren. Gertie Pohlit

Ausbildungskonferenz wird 15 Jahre alt

Popularmusik ist ein weiter Begriff, mindestens so allumfassend wie der Werkkatalog zwischen Gregorianik und Brahms-Requiem im klassischen Lager. Denn Popularmusik subsummiert vieles: Spiritual, Jazz, Blues, Folk, Rock und Pop. Lange hat der Kirchenmusikbetrieb die swingende Schwester mit ihrer weltläufig munteren Mixtur jugendaffiner Stile mehr misstrauisch als respektvoll beäugt.

Aber schon die Tatsache, dass Gospelchöre und Bands gerade junge Christen da abholten, wo die konventionelle Kirchenmusik sie nicht erreicht hätte, führte zu einem Umdenken. Zum Zweiten die Einsicht, dass im Popularbereich nicht weniger professionell musiziert wird als beim hehren Partner auf dem Oratoriumspodium.

Letztlich galt es zu reagieren. Seit 2003 gibt es die alljährliche „Ausbildungskonferenz Popularmusik“ der Evangelischen Kirche in Deutschland, die sowohl Projekte anschiebt als auch sich mit Fragen von Jazz, Pop und Rock im kirchlichen Umfeld und vor allem Möglichkeiten der Weiterbildung befasst. Etliche Landeskirchen – die pfälzische ist nicht dabei, aber mit der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und der Badischen Landeskirche alle Nachbarn – bieten bereits Ausbildungsmodelle mit C- und B-Abschluss im Bereich Popularmusik an. Die Evangelische Kirche der Pfalz unterstützt Musiker, die ihre Prüfung dort ablegen wollen. gpo

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