In Frieden für die Menschheit

Die Mondlandung vor 50 Jahren gilt als größte technische Meisterleistung des 20. Jahrhunderts • von Klaus Merhof

Blick auf den zunehmenden Mond zwischen den Türmen der Kaiserslauterer Stiftskirche. Foto: view

Schritte für die Ewigkeit: Buzz Aldrin, fotografiert von Neil Armstrong. Zusammen mit Michael Collins bildeten sie das Team der Apollo 11-Mission. Foto: Nasa

Logo der Apollo 11-Mission. Foto: Nasa

Gerhard Lenz.

Am späten Abend des 20. Juli 1969 war die Jahrhundert-Sensation perfekt: „The Eagle has landed“, funkte Apollo 11 vom Mond. Einige Stunden später betrat Neil Armstrong als erster Mensch einen anderen Himmelskörper. In Europa war es der 21. Juli 1969, genau 3.56 Uhr (MEZ). Weltweit verfolgten 600 Millionen Menschen das Spektakel im Fernsehen, in Deutschland sendeten ARD und ZDF nahezu nonstop.

19 Minuten nach Armstrong ­kletterte auch Buzz Aldrin die ­Leiter der Mondlandefähre „Eagle“ hinunter. Zweieinhalb Stunden lang waren beide auf dem Mond unterwegs. Sie hissten die US-Flagge, stellten einen Laserreflektor auf und sammelten 21,5 Kilogramm Mondgestein. Am Sockel der Landefähre wurde eine Gedenkplakette befestigt: „Hier setzten Menschen vom Planeten Erde zum ersten Mal einen Fuß auf den Mond, Juli 1969. Wir kamen in Frieden für die ganze Menschheit.“

Der einsamste Mensch der Welt in diesen Stunden war Michael Collins, der als Pilot des Apollo 11-Mutterschiffs „Columbia“ in einer Mondumlaufbahn unverdrossen seine Runden drehte. Seine beiden Kollegen befanden sich 110 Kilometer unter ihm – und alle anderen Menschen waren rund 380000 Kilometer entfernt. Collins berichtete Jahre später, dass er vor dem Mondflug oft einen Alptraum gehabt habe: Dass er nach einer fehlgeschlagenen Landung allein hätte zur Erde zurückkehren müssen.

Garant für die Mondflüge war die 110 Meter hohe Saturn-V-Rakete des deutschen Konstrukteurs Wernher von Braun. Sie versagte kein einziges Mal und soll beim Abheben das lauteste künstliche Geräusch erzeugt haben, das je auf der Erde zu hören war. Mit einem Startgewicht von 2800 Tonnen war sie zugleich die mächtigste Rakete, die je gebaut wurde.

Der historische Flug von Apollo 11 war der Höhepunkt des „Wettlaufs ins All“, den sich die Supermächte USA und UdSSR in den 1960er Jahren lieferten. Anfangs gingen alle Rekorde an die Russen, die bereits am 4. Oktober 1957 den „Sputnik“ in eine Erdumlaufbaum schossen. Die Hündin Laika war am 3. November 1957 das erste Lebewesen im Weltraum, am 12. April 1961 umrundete der Russe Juri Gagarin als erster Mensch einmal die Erde. Der erste Amerikaner im All war am 5. Mai 1961 Alan Shepard in einer Mercury-Kapsel.

Um nicht komplett ins Hintertreffen zu geraten, gab der damalige US-Präsident John F. Kennedy am 25. Mai 1961 eine stolze Parole aus: Vor dem US-Kongress verpflichtete er seine Nation, bis zum Ende des Jahrzehnts „einen Menschen auf dem Mond zu landen und heil wieder zurückzubringen“. Es gehört zum Kennedy-Mythos, dass er der alleinige Urheber dieser Idee gewesen sei. In Wahrheit hatte er wochenlang bei der Nasa recherchieren lassen, ob sich ein solcher Plan überhaupt realisieren ließe. Aber immerhin hatte er den Mut, diese Langzeit-Vision auszusprechen und ihr mit seinem Charisma den nötigen Drive zu geben – und die nötigen Dollars.

Tragischerweise bekam Kennedy den Triumph der Landung nicht mehr mit: Am 22. November 1963 trafen ihn die tödlichen Schüsse von Dallas. So war es sechs Jahre später US-Präsident Richard Nixon (1913 bis 1994), der mit den Astronauten auf dem Mond telefonierte und ihnen nach der Rückkehr auf dem Flugzeugträger „USS Hornet“ durch das Fenster der Quarantäne-Station zuwinkte. Auch diese Bilder gingen um die Welt.

Doch nach der ersten Mondlandung war die Luft raus aus dem Apollo-Programm. Schon Apollo 12 im November 1969 wurde öffentlich kaum noch wahrgenommen. Mit Apollo 17 Ende 1972 war Schluss. Insgesamt zwölf Menschen haben in dieser Zeit den Mond betreten – bis auf die ersten beiden kennt kaum jemand ihre Namen. Dreimal wurde ein Mondauto eingesetzt. Der bislang letzte Mensch auf dem Mond war Eugene Cernan (1934 bis 2017) von Apollo 17 am 14. Dezember 1972. Der nächste – und 13. – könnte ein Chinese werden.

Eine Ausnahme vom zunehmenden Desinteresse war der Pannen-Flug von Apollo 13 im April 1970. Kommandant Jim Lovell sollte sich den Traum erfüllen dürfen, auch einmal den Mond zu betreten, den er Weihnachten 1968 mit Apollo 8 zehnmal umrundet hatte. Doch bereits auf dem Hinflug explodierte ein Sauerstofftank außenbords am Raumschiff – die Mondlandung wurde abgebrochen. Nur mit Mühe kehrten die Astronauten nach einem Schwenk um den Mond zur Erde zurück. Dabei nutzten sie die Mondlandefähre mit ihren autarken Systemen als Rettungsschiff für ihre desolate Apollo-Kapsel. Ganze 25 Jahre später (1995) wurde Apollo 13 mit Tom Hanks in der Hauptrolle zum Kino-Hit.

Insgesamt kosteten die Apollo-Dienstreisen zum Mond rund 25 Milliarden US-Dollar. Eine Summe, die Kritiker wiederholt nach der Kosten-Nutzen-Relation fragen ließ – allein die Teflon-Pfanne oder das Ceran-Glasfeld für Küchenherde konnten es ja nicht gewesen sein. Bereits 1965 urteilte der deutsche Physiker und Nobelpreisträger Max Born (1882 bis 1970), die Weltraumfahrt sei „ein Triumph des Verstandes, aber ein trauriges Versagen der Vernunft“.

Den Hauptvorwurf, Unsummen von Geld im All verpulvert zu haben, hatte dagegen schon Wernher von Braun stets lakonisch gekontert: Jeder einzelne Cent sei schließlich auf der Erde ausgegeben worden. In den Hoch-Zeiten arbeiteten über 400000 Menschen bei der Nasa. 1999 wurde das Wort „Mondlandung“ unter die 100 wichtigsten Wörter des 20. Jahrhunderts aufgenommen.

Jubiläums-Aktionen

Zum Jahrestag der Mondlandung laden zahlreiche Planetarien zu Sonderveranstaltungen ein, darunter Mannheim mit einer Nacht der offenen Tür. In der Stadthalle von Gersfeld in der Rhön erzählen Handschriften und Artefakte vom 21. Juli bis 18. August die Geschichte des Wettlaufs zum Mond. Über das Technoseum Mannheim können eine junge Frau und ein junger Mann einen Flug in die Schwerelosigkeit und ein knapp einwöchiges Astronautentraining im Kennedy Space Center gewinnen.

www.technoseum.de und www.planetarium-mannheim.de

Weltereignis im Süden Floridas ohne Laptop und Handy

Unter den 43 deutschen Journalisten, die den Start von Apollo 11 in Cape Kennedy verfolgten, war auch der Würzburger epd-Redakteur Gerhard Lenz. Der heute 70-jährige Journalist beschreibt rückblickend den historischen Moment:

Trotz des bevorstehenden Weltereignisses herrscht in den frühen Morgenstunden des 16. Juli 1969 auf der Pressetribüne des Kennedy Space Centers in Florida routinemäßige Geschäftigkeit. Etwa 3500 Medienvertreter haben sich akkreditiert. Das weitläufige Beobachtungsgelände am Ufer des Banana River bietet eine gute Sicht auf die fünf Kilometer entfernte Saturn-V-Rakete.

Einzelne Reporter lassen sich mit Reiseschreibmaschinen im Gras nieder, andere benutzen den Notizblock. Es gibt weder Handy noch Laptop, das Internet ist unbekannt. Apollo 11 soll zur großen Stunde des Fernsehens werden. Live-Bilder aus dem All sind vorgesehen, seit einem Jahr gibt es weltweite Übertragungsmöglichkeiten per Satellit. „Dies hier wird die größtmögliche Show überhaupt“ versichert mir ein TV-Reporter. Die Unterstützung der Medien durch die Nasa ist beeindruckend. Anders als bei den Russen gibt es keine Geheimniskrämerei. Von den Ast­ronauten stehen Fernsehinterviews zur Verfügung. Zum technischen Ablauf der Mission hält die Weltraumbehörde Text- und Bildmaterial bereit.

Die kurze Nacht vor dem Start verbringe ich im Auto. Ich will frühzeitig an einem der Eingangstore sein, fahre zur Sicherheit noch einmal die Strecke ab. Auf Cape Kennedy, in Cocoa Beach, Titusville, Allenhurst und Satellite Beach gibt es seit Monaten keine Zimmer mehr. Geschätzte 1,5 Millionen Menschen campieren in Zelten, Autos und Wohnwagen auf Campingplätzen und an Stränden zwischen Daytona Beach und Melbourne. Die Restaurants sind überfüllt, vor den Supermärkten stehen die Menschen Schlange. Marihuanaschwaden, Rockmusik, Hippies. Vor dem großen Augenblick herrscht Festivalstimmung.

Auf der „LC 39 press site“ herrscht am nächsten Morgen eine gespannte Erwartung. Wird der Start klappen? Zum Optimismus des heraufziehenden Sommertags tragen seltsamerweise auch die monotonen Durchsagen aus dem Lautsprecher bei. Über Stunden werden technische Details zur Startvorbereitung und teilweise der Funkverkehr mit den Astronauten übermittelt. Alles wirkt cool, routiniert und irgendwie beruhigend.

„T minus …“ informierte jeweils über den Countdown, der mit Unterbrechungen seit dem Vortag läuft. In der letzten Viertelstunde wird es stiller auf dem Gelände. Nun hat nur noch der Lautsprecher das Wort. Um 9.32 Uhr Ortszeit heißt es „ignition“ und Sekunden später „liftoff, we have a liftoff“. Das erleichterte „all systems go“ wenig später wird bereits überlagert von Bildern und Geräuschen, die sich in die Seele brennen: das erste Fauchen unter dem 110 Meter hohen Ungetüm auf der Rampe 39 A, der riesige Feuerball aus den fünf Triebwerken, das kurze Erzittern des weißen Riesen, der sich nur mühsam von der Erde zu lösen scheint. Dann das dumpfe Donnergrollen beim Aufnehmen der Geschwindigkeit und schließlich das trockene, fast knisternde Dröhnen, mit der er sich immer schneller in den tiefblauen Himmel schiebt und schließlich verschwindet.

Die Ankunft von Armstrong und Aldrin auf dem Mond verfolge ich vier Tage später als Gast einer amerikanischen Familie vor dem Bildschirm. In der Sendung wird noch einmal über den Start auf Cape Kennedy berichtet. Auch die Vertreter der Medien hätten dabei begeistert applaudiert, hieß es. Ich hatte davon nichts mitbekommen.

Mystische Erlebnisse jenseits der Erde

Die Frage nach der Entstehung des Alls gehörte von Anfang an zur „religiösen Begleitmusik“ der Mondflüge. Der britische Autor Andrew Smith kam sogar zu dem Schluss, dass es innerhalb des Apollo-Programms eigentlich zwei Programme gegeben habe: ein offizielles, bei dem technische Neuerungen im Vordergrund standen, sowie ein „inoffizielles, fast heimliches, in dem es um die Menschen und ihren Platz im Universum ging, um Bewusstsein, Gott, Geist und Leben“.

Vor allem beim Durchfliegen der dunklen Seite des Mondes befiel manche Astronauten extreme Einsamkeit und Furcht. Hier gab es auch keine Funkverbindung zur Erde mehr. Andere, die auf der zerklüfteten, gleißend hellen Mondoberfläche standen, beschrieben Gefühle der Ekstase, des Einklangs mit dem Universum und eines tiefen Seelenfriedens. Auch von mystischen Erlebnissen wurde berichtet, einem an der Apollo-Kapsel vorbeitreibenden Gegenstand, der wie ein „geöffnetes Buch“ ausgesehen haben soll.

Zur Vorbereitung späterer Landemanöver umrundeten am 24. Dezember 1968 erstmals drei Astronauten den Mond. Der Flug blieb vielen Amerikanern vor allem deshalb in Erinnerung, weil Astronaut Bill Anders aus der Schöpfungsgeschichte vorlas: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde?…, und Gott sah, dass es gut war?…?Fröhliche Weihnachten und Gott segne euch alle – euch alle auf der guten Erde.“ Kritiker forderten daraufhin die Nasa zu weltanschaulicher Neutralität auf. Ihre Astronauten dürfen seither keine Bibeln mehr mit ins Weltall nehmen oder religiöse Botschaften übermitteln. Apollo-Pilot James Benson Irwin hinderte dies nicht daran, im Jahr 1971 auf dem Mond im Funkverkehr aus Psalm 121 zu zitieren: „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen: Woher wird mir Hilfe kommen? Meine Hilfe kommt von IHM“ – um dann hinzuzufügen: „Aber von Houston ­kriegen wir natürlich auch eine ganze Menge.“

Irwin wurde unter dem Eindruck seines Mondaufenthalts zu einem tiefgläubigen Christen. Er verließ 1972 die ­Nasa, gründete die evangelistisch-diakonische „High-Flight-Stiftung“ und ging als Prediger auf Reisen. „Es ist wichtiger, dass Jesus Christus seinen Fuß auf die Erde setzte als der Mensch den seinen auf den Mond“, lautete sein Credo. „Auf dem Mond wurde mir die unermessliche Macht Gottes und seines Sohnes kristallklar.“

Als Helden verehrt, scheiterten viele zurückgekehrte Astronauten am Erwartungsdruck. Aldrin hatte Depressionen, Armstrong wurde Einzelgänger. Alan Bean verarbeitete seine Erlebnisse als Maler von „Mondlandungskitsch“, Edgar Mitchell beschäftigt sich mit „Quantenholografie“ und glaubt an Ufos. Charles Duke bekehrte sich mit seiner Frau zu Jesus Christus und rettete damit nach eigenen Worten die Ehe. Gerhard Lenz

Meistgelesene Artikel