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Bezirkskantor und Wahl-Pirmasenser Maurice Antoine Croissant wird zum Kirchenmusikdirektor ernannt

Faible für Popularmusik: Maurice Croissant mit dem Jazzensemble „Amuse Gueule“ 2020 im Martin-Butzer-Haus. Foto: Landry

Pirmasens, der Stadt mit der höchsten Kommunalverschuldung in Deutschland, haftet manch nicht gerade schmeichelhaftes Klischee an. Doch die Pirmasenser lieben ihre Stadt. Auch Maurice Antoine Croissant, der Kindheit und Jugend in der Südpfalz verlebt hat, schwärmt für sein berufliches wie privates Domizil. Seit er 2001 dort Bezirkskantor wurde, ist er im besten Sinne heimisch geworden.

1974 in Landau als Spross einer weit verzweigten Künstlerfamilie geboren, hat sich Croissant schon zu Schulzeiten in künstlerischen Arbeitsgemeinschaften herumgetrieben, zudem soziologisch-politisches Interesse signalisiert. Nicht von ungefähr ist er heute, den Spuren seines Vaters Manfred folgend, der Arzt und Theologe war, auch SPD-Stadtratsmitglied in Pirmasens.

Teils während oder unmittelbar nach dem Kirchenmusikstudium in Heidelberg hat Maurice Croissant immer wieder Ensembles aus der Taufe gehoben, teils geleitet. Das bekannteste sind wohl „The Lords of the Chords“, die sich als hochprofessionell besetzte Männercrew nicht allein in der Pfalz Fans erobert hat. Das „Pfälzische Vokal Ensemble“ wiederum, mit dem Croissant jeweils zur Sommerzeit Norddeutschland bereist, betrachtet er als Vermächtnis seines Lehrmeisters Heinz Markus Göttsche, der ihm seinen Kammerchor zu Lebzeiten quasi vererbt hat. Er verdanke ihm „unendlich viel an Empfindung, an Gestaltungskraft und praktischem Handwerk“, sagt Corissant.

Die mit rund 50 Stimmen besetzte Kantorei an der Johanneskirche Pirmasens steht für Oratorien-Konzerte, bedient die liturgischen Feiern in der Lutherkirche. Die Gottesdienst-Combo und der rund zwölfköpfige Jugendchor beleben alternative Formate, führen Jazzmessen auf, bringen nicht zuletzt das noch ungeübte Liedgut aus „Wo wir dich loben, wachsen neue Lieder“ unter die Leute. Auch auf Blechbläserklang müssen die Pirmasenser nicht verzichten. Im Posaunenchor ist zum Beispiel das mit eineinhalb Stellen tätige Pfarrer-Ehepaar Kerstin und Volker Strauch präsent. „Das ist ein besonderer Glücksfall“, schwärmt Croissant. Denn beide haben obendrein gute Stimmen und sind theologische Paten der Kirchenmusik, wie es sich ein Kantor nur wünschen kann. „Eine Zusammenarbeit, um die mich mancher Kollege beneidet.“

Die Kinderkantorei ist mit gleich drei Alterssegmenten und wenigstens ei­nem Kindermusical pro Jahr vertreten. Croissant hat hier eine Zusammenarbeit mit dem Emmanuel-Kant-Gymnasium und der dortigen Schulmusikerin etabliert und als Kirchenmusiker mit ensprechenden Antennen auch andernorts Anknüpfungspunkte gefunden, die ins kirchliche Milieu hineinwirken. Die „Fabrikmusiken“ in der ehemaligen Schuhfabrik, jetzt Kunst- und Kulturzentrum „Neuffer am Park“, sind ein solches Projekt. 2003 gestartet, wurden sie unter dem Schirm des Unternehmers Bernd Hummel als Mischung aus Jazz, Chor- und Kammermusik zum Publikumsrenner. Ab Mitte November, so hofft Maurice Croissant, könnte dort wenigstens eine Kammermusikreihe starten. Denn wie überall diktiert auch hier die Corona-Pandemie kleinere Formate.

Mit der Kantorei und dem „Requiem“ von Luigi Cherubini, rein für Chor und Orchester besetzt, probt der Bezirkskantor in wechselnden Kleingruppen festen Mutes auf das traditionelle Konzert am Sonntag „Judica“ hin, im kommenden Jahr am 21. März. In den Gottesdiensten, wo die Gemeinde nach wie vor zum Schweigen genötigt ist, übernehmen immer vier, fünf Singende aus den Ensembles das Choralsingen.

Dass in den Bereich Popularmusik seit seiner Beauftragung Bewegung gekommen ist, freut Croissant. „Die Schaffung eines eigenen Kantorats scheint dafür in realistische Nähe gerückt.“ Er selbst allerdings würde nicht zur Verfügung stehen, stellt er klar. „Dazu bin ich zu sehr Mehrkämpfer, liebe meine Alte Musik, die Oratorienarbeit, das Orgelspiel, wollte nicht eingleisig fahren. Aber es wäre mir Genugtuung, den Weg mitbereitet zu haben.“

Am Sonntag, 8. November, wird nun Oberkirchenrat Manfred Sutter Croissant in Anerkennung seiner Verdienste den Titel Kirchenmusikdirektor verleihen. Am 20. Oktober hat der Kantor übrigens mit seiner Frau Eva zehnten Hochzeitstag gefeiert. Ein Herbst der Feierlichkeiten also. Gertie Pohlit

Unterwegs für Popularmusik

Maurice Croissant ist ein rhythmisches Naturtalent. Die Lust zum Ausschwärmen ins Popularsegment der Kirchenmusik war stets präsent. Als ihm die Landeskirche 2008 die Beauftragung für sakrale Popularmusik erteilte, hatte er berufsbegleitend schon einen zweijährigen Lehrgang „Popularmusik im kirchlichen Bereich“ an der Bundesakademie in Trossingen absolviert.

Längst war er da pianistisch mit seinem Jazzensemble „Amuse Gueule“ unterwegs, gestaltete alternative Gottesdienste mit seiner Gemeinde-Combo, widmete sich mit Jugendchören erfolgreich der Popularmusik. Croissant – flankiert von seinen nicht minder aktiven Stellvertretern Tobias Markutzik, Kantor im Dekanat Kusel, und dem Homburger Bezirkskantor Stefan Ulrich – hat die Szene geschickt vernetzt. Großen Anteil daran hatte der von ihm ins Leben gerufene „Runde Tisch Popularmusik“. Als Fachkraft für Workshops wird Croissant mittlerweile bundesweit angefragt.

Öffentlichkeitswirksames Aushänge­schild für die Vielfalt und das Niveau der kirchlichen Pop-Moderne ist das an den Landeskirchenmusiktag gekoppelte Chor- und Bandfestival. 2018 zuletzt zogen unterschiedliche Formationen aus der Pfalz in der Lan­dauer Stiftkirche viel Jugend ins Kirchenschiff. gpo

Festgottesdienst zum Titel

Verliehen wird der Titel Kirchenmusikdirektor (KMD) allein durch Landeskirchen und Bistümer. In der Regel sind verdienstvolle Hauptamtliche die Widmungsträger, aber der Titel kann auch an spezielle Beauftragungen gekoppelt sein.

In der Evangelischen Kirche der Pfalz ist KMD ein reiner Anerkennungstitel, die Vergabe hat keinerlei Auswirkung auf die Höhe der Bezüge. Er signalisiert, bildlich gesprochen, eine tiefe Verbeugung des Dienstherrn vor dem segensreichen Wirken einer „Arbeiterin“ oder eines „Arbeiters“ im kirchenmusikalischen Weinberg des Herrn. Nach Katja Gericke-Wohnsiedler, Bezirkskantorin in Grünstadt, und dem Speyerer Bezirkskantor Robert Sattelberger ist Maurice Croissant ab November der dritte Titelträger innerhalb der pfälzischen Landeskirche.

Die Verleihung findet anlässlich eines Gottesdiensts am Sonntag, 8. November, 11 Uhr, statt. Chor-Ensembles können wegen Corona nicht teilnehmen. Maurice Croissant hat den Festgottesdienst, den Oberkirchenrat Manfred Sutter, Dekan Ralph Krieger sowie Kerstin und Volker Strauch halten, dennoch musikalisch ausgestaltet: Kleine Ensembles illustrieren die professionelle Bandbreite des Dirigenten, Sängers, Organisten und Flötisten Croissant – zwischen Bachmotette, John Rutter und Jazzcombo. gpo

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