Heimatort am Haardtrand

Tina Sanwald zieht nach drei Jahren als pädagogische Leiterin des Martin-Butzer-Hauses erste Bilanz

Tina Sanwald, pädagogische Leiterin des Martin-Butzer-Hauses, vor der Einrichtung am Haardtrand oberhalb Bad Dürkheims. Foto: Franck

Bekommt von jugendlichen Besuchern Impulse für neue Fortbildungsthemen: Tina Sanwald (Dritte von rechts). Foto: Franck

Was würdest du tun, wenn dir keine Grenzen gesetzt sind?“ Was die Zehntklässler des Speyerer Purrmann-Gymnasiums im Martin-Butzer-Haus diskutieren, hat sich Tina Sanwald sicher auch schon einmal gefragt – mit Blick auf die Zukunft des Tagungshauses der Landeskirche. Seit rund drei Jahren ist die 46-Jährige mit einer halben Stelle für die pädagogische Leitung der Jugendbildungsstätte zuständig. 2016 hat sie zusammen mit Jann-Dieter Zeberg als betriebswirtschaftlichem Leiter Ulrike Nickel abgelöst, die in den Ruhestand gegangen war.

Die Aufstockung um eine halbe Stelle war notwendig, weil die Aufgaben des Hausmanagements gestiegen seien und immer mehr Kräfte gebunden hätten, sagt Sanwald. „Die Anforderungen der Gäste sind höher, gleichzeitig ist die Verbindlichkeit bei Buchungen nicht mehr so ausgeprägt wie früher.“ Das bedeute ein ständiges Lavieren zwischen Über- und Unterbuchung. Doch am Ende muss die bestmögliche Auslastung des 1956 gebauten Hauses stehen, das vor etwas über zehn Jahren saniert worden war. „Wir spüren den wirtschaftlichen Druck.“ Das Ziel heißt: So wenig Zuschüsse als möglich von der Landeskirche. Eine Herausforderung, sagt Jutta Deutschel vom Landesjugendpfarramt. „Wir müssen uns als Einrichtung immer wieder rechtfertigen.“

Die Grenzen, die Sanwald und Zeberg gesetzt sind, sind also vor allem wirtschaftliche. Ideen, wie das Haus in Bad Dürkheim-Seebach mit Leben gefüllt wird, gibt es genug. In ihren mehr als 30 Jahren als Einrichtungsleiterin habe Ulrike Nickel unzählige Modellprojekte, etwa in der Arbeit mit Behinderten, entwickelt, auf die sie aufbauen kann, sagt Sanwald. Ihren Arbeitsplatz kennt sie als langjährige Referentin im Landesjugendpfarramt gut genug.

Keine fertigen Programme, dafür inhaltliche Bausteine aus der Praxis heraus, so lautet zugespitzt die pädagogische Formel für das Butzer-Haus. Erlebnispädagogik ist einer der Schwerpunkte. Die Riesenwippe im nahen Wald oder Niederseilelemente können Gruppen gegen Leihgebühr und nach Anleitung für sich nutzen. Möglich sind außerdem Geocaching, digitale Schnitzeljagden. Dazu kommen Fachtage für Hauptberufliche und Ehrenamtliche. Escaperooms und Tabletrallyes, sogenannte Actionbounds, stehen etwa im aktuellen Programm. „Wir schreiben diese Themen auch extern aus“, sagt Sanwald. Tatsächlich sind bei Fachtagen 20 bis 30 Prozent Teilnehmer von außerhalb der Landeskirche. Eine Quote, die auf die Belegung insgesamt zutrifft. 70 Prozent der Gäste – zwischen 20000 und 22000 Übernachtungen zählt das Butzer-Haus pro Jahr – stammen aus der Landeskirche. „Unser Ziel ist es, möglichst vielen Kinder- und Jugendgruppen eine Übernachtung zu ermöglichen“, sagt Sanwald. Rund ein Drittel sind Erwachsene.

Für Sanwald und ihre Mitstreiter ganz wichtig: Die Angebote in der Tagungsstätte sind keine Einbahnstraße. Aus den Begegnungen mit Teilnehmern wachsen in Gesprächen Themen, aus denen neue Ideen beispielsweise für Fachtage gesponnen werden. Der Ideentransfer funktioniert aber auch auf anderem Weg. Gruppen erleben sich gegenseitig, lernen voneinander. „Das Butzer-Haus ist ein Ort gelebter Praxis, das war mir gar nicht so klar, als ich angefangen habe“, sagt Sanwald.

Doch es geht um mehr als fachliche Kompetenzen. Das Haus bedeute für viele räumliche Selbstvergewisserung in einer immer säkulareren Gesellschaft, sagt die pädagogische Leiterin. Sie ist in Wachenheim, quasi in Sichtweite zum Butzer-Haus, aufgewachsen. „Ich kenne Ehrenamtliche, die erzählen lieber gar nicht, dass sie sich engagieren bei der Kirche, weil sie sich dann rechtfertigen müssen, warum sie das freiwillig tun“, erzählt Sanwald. „Hier dagegen sehen sie: Ich bin nicht allein, auch andere engagieren sich.“ Eine Erfahrung, die sie vielen Jugendlichen bieten will. So etwa der achtköpfigen Konfirmandengruppe, die im Butzer-Haus merkte: Es gibt noch mehr als uns.

Im Herbst planen Neustadter Kirchengemeinden erstmals zusammen ein Konficamp mit rund 100 Teilnehmern in der Tagungsstätte. Doch nicht überall kann das Haus punkten. „Wir sind für manche Pfarrer zu teuer“, sagt Sanwald. 30,50 Euro kostet die Vollpension für Jugendliche. Jugendherbergen seien auch nicht billiger, merkt sie an. Als Alternative blieben vielerorts nur noch Selbstversorgerhäuser. „Für die ich aber entsprechende Teamer brauche.“

Und gerade Ehrenamtliche melden ihr nach Tagen im Butzer-Haus zurück, dass allein der Ortswechsel den Kopf frei gemacht habe. Ein Ort, der für viele das Gefühl von Heimat vermittelt, sagt Sanwald. „Sie haben hier eine Form der Gemeinde auf Zeit.“ Und darüber hinaus. Selbst wenn sie für das Studium weggehen, haben Sie hier später einen Anknüpfungspunkt, ist sich Sanwald sicher. „Das zahlt sich letztendlich in funktionierender Jugendarbeit aus.“ Der Förderverein, in dem sich Haupt- und Ehrenamtliche engagieren, darunter viele Ehemalige, bestätigt sie.

„Wo kommen wir her, wo gehen wir hin“, fragen die Speyerer Schüler bei ihren Tagen der Orientierung. Auch Sanwald blickt in die Zukunft. Ihre Projektstelle läuft bis 2021. Florian Riesterer

Tagungshäuser und ihre Finanzierung

Mit dem Martin-Butzer-Haus in Bad Dürkheim und dem Butenschön-Haus in Landau besitzt die Landeskirche noch zwei Tagungshäuser. Eine Arbeitsgruppe der Landeskirche hat im Herbst begonnen, ein betriebswirtschaftliches Gesamtkonzept für das Butzer-Haus zu erarbeiten, das zur Herbstsynode vorliegen soll. Derzeit wird an der dritten Fassung geschrieben, sagt Oberkirchenrat Dieter Lutz.

Mit dem Gesamtkonzept, das die „Krause und Böttcher Bildungsstättenberater GmbH“ begleitet, werde in der nächsten mittelfristigen Finanzplanung allerdings keine Vollkostenrechnung angestrebt, sagt Lutz. „Das Haus bleibt eine Zuschussgeschichte, es muss keine schwarze Null stehen.“ Die derzeit rund 22000 Übernachtungen jährlich seien ein guter Wert. Um die 250000 Euro erhielt das Haus zuletzt jährlich von der Landeskirche.

Bei der Kalkulation befinde sich die Landeskirche in einem Zielkonflikt, sagt Lutz. Das Personal, das anders als in manch anderen Einrichtungen nach Tarif bezahlt werde, könne nicht reduziert werden, ohne die Qualität zu verschlechtern. Die Übernachtungspreise wiederum dürften nicht steigen. Erst recht, weil Naturfreundehäuser, Jugendherbergen und Tagungshäuser anderer kirchlicher Träger eine ernst zu nehmende Konkurrenz darstellten, sagte Lutz. „Es darf nicht sein, dass Menschen sagen, es ist zu teuer“, sagt Lutz.

Das Butenschön-Haus, für das ein betriebswirtschaftliches Gesamtkonzept vorliegt, erhielt vergangenes Jahr 150000 Euro Zuschuss von der Landeskirche. Die Familienferien- und Bildungsstätte Ebernburg gehört der Ebernburg-Stiftung. Der Ebernburg-Verein kümmert sich um den laufenden Betrieb. Die pfälzische Landeskirche, die Evangelische Kirche im Rheinland sowie die Evangelische Kirche Hessen Nassau geben Zuschüsse proportional zur Zahl der in der Landeskirche lebenden Protestanten. Der Zuschuss der pfälzischen Landeskirche beträgt 40 Prozent. flor

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