Aus Albanien nach Deutschland

Evangelisches Diakoniewerk Zoar geht auf der Suche nach künftigen Pflegekräften ganz neue Wege

Ist beim Diakoniewerk Zoar in der Ausbildung zum Altenpfleger: Dorian Topi mit einer Heimbewohnerin. Foto: J. Hoffmann

Schätzen den Kontakt zu den Menschen bei ihrer Ausbildung zum Altenpfleger: Erjon Musaraj (links) und Doruan Topi. Foto: J. Hoffmann

Erjon Musaraj und Dorian Topi leben seit mehr als einem Jahr in der Pfalz. Die beiden Albaner sind Auszubildende beim Evangelischen Diakoniewerk Zoar. Das beschreitet Neuland, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

„Wir müssen bei der Personalgewinnung an vielen Strängen ziehen“, sagt Sabine Schmitt vom Evangelischen Diakoniewerk Zoar in Rockenhausen. Dazu gehören die Vernetzung mit der Agentur für Arbeit, Vorträge in Schulen oder Filme, in denen Pflegeschüler über ihre Arbeit sprechen. „Das Image des Berufs verbessert sich langsam“, sagt Schmitt. Grund sei auch der gestiegene Einsatz von sozialen Medien, beispielsweise Instagram. Ein weiterer Baustein ist die Zusammenarbeit mit Recruiting-Agenturen, um Menschen aus dem Ausland anzuwerben. So wurden Pflegefachkräfte aus Ungarn nach Dekra-geprüftem deutschen Standard in ihrem Heimatland ausgebildet. Das Problem waren hier aber die nur mangelhaften Deutschkenntnisse, die die 30 Berufsschüler während ihrer Ausbildung erlangten. Das Projekt wurde deshalb abgebrochen. Aber auch generell sei die Anerkennung der im Heimatland erworbenen Abschlüsse in Deutschland immer eine Herausforderung, sagt Schmitt.

So versuchte es Zoar nun mit dem Ansatz einer anderen Agentur. Diese suchte mittels der internationalen Hilfsorganisation „Nehemiah Gateway“ in Albanien bei Bewerbertrainings mögliche Ausbildungskandidaten, die an einer deutschen Schule in dem südosteuropäischen Land ein intensives Sprachtraining durchliefen. „Die Arbeitslosigkeit ist hoch dort, viele junge Menschen wandern aus“, sagt Schmitt. Die Vorstellungsgespräche wurden in Deutsch geführt. Manche Vorstellung, was Pflege ist, sei dabei teils stark korrigiert worden, erinnert sie sich. Für sieben künftige Auszubildende organisierte Zoar schließlich die Reise, Visa für die Zeit der Ausbildung und vor allem Wohnungen in der Pfalz. Wichtig sei gewesen, die Auszubildenden auf vier der insgesamt 16 Zoar-Standorte zu bündeln, damit in dem fremden Land noch ein Austausch unter ihnen möglich ist. „Die albanischen Führerscheine beispielsweise wurden hier nicht anerkannt“, erklärt sie. Vor allem die Unterkunftssuche erwies sich als Mammutaufgabe. Diesen Aufwand hätten sie unterschätzt, gesteht sie. Bei der Einrichtung der Wohnungen hätten sie dagegen vor Ort viel Hilfe erfahren. Etliches wurde gespendet.

Jetzt, nach rund einem Jahr, leben und lernen von den sieben Albanern noch fünf in der Pfalz. Einer habe sich die Ausbildung anders vorgestellt, ein anderer litt unter der Situation. Denn der Kontakt nach Hause ist im Großen und Ganzen nur per Internet möglich. Reisen sind selten.

Es sei am Anfang schon schwer gewesen, sagen Musaraj und Topi. Vor allem was die Sprache anbelangt. Denn auch wenn sie fleißig Hochdeutsch lernen, stellt der pfälzische Dialekt der Altenheimbewohner in der Rockenhausener Wiesenstraße und an anderen Arbeitsorten die beiden immer wieder vor große Herausforderungen. „Aber Dialekt ist auch Kultur“, sagt Musaraj, der in Albanien im Management gearbeitet hatte, einige Zeit in China verbrachte und neben dem Sprachkurs sein Wissen vor allem mit Filmen auf Deutsch erweitert. Erste Kontakte zur Sprache hatte er in der evangelischen Kirchengemeinde in seinem Heimatort Pogradec, auch in Rockenhausen war er schon öfter im Gottesdienst. „Ich hatte immer schon den Wunsch, nach Deutschland zu gehen.“

Wichtig sind dem 35-Jährigen die persönlichen Beziehungen zu den Bewohnern. „Man darf diesen Beruf nicht auf Körperpflege reduzieren.“ In Albanien sei die Pflege vor allem eine Sache der Familie. Generationen lebten, anders als in Deutschland, häufig noch unter einem Dach. Vor allem aber sind Alteneinrichtungen schlicht zu teuer. Ein Renten- oder Krankenkassensystem wie in Deutschland gebe es nicht. Besonders freut Musaraj, dass jüngst seine Frau und sein vier Jahre alter Sohn in die Pfalz reisen konnten. Für ihn das letzte Tüpfelchen auf dem i, auch nach der Ausbildung hier seine Zukunft zu sehen – am liebsten bei Zoar. Seinen Altenpflegerhelfer-Abschluss hat er – wie ein weiterer Auszubildender des Jahrgangs – bereits in der Tasche.

Topi, der früher im IT-Bereich gearbeitet hat, würde ebenfalls nach seiner Abschlussprüfung hier bleiben. Die steht in zwei Jahren an. Er hofft nur, dass es seinen Eltern in Albanien weiterhin gesundheitlich gut geht. Der 34-Jährige hält vor allem übers Internet Kontakt nach Hause zu Freunden und Bekannten. Deutschland hat er bisher vor allem mit seinem Maxx-Ticket kennengelernt: Nürnberg, Heidelberg, Frankfurt zählt er auf. In Saarbrücken waren beide auf dem Weihnachtsmarkt Glühwein trinken. In nachhaltiger Erinnerung ist ihnen der Besuch des Konzentrationslagers Struthof – ein Blick in ein Stück deutscher Geschichte.

Für Zoar ist das Projekt, wenn – wie es sich abzeichnet – die restlichen Auszubildenden dabeibleiben, ein Erfolg. Ob es eine Neuauflage gebe, könne sie noch nicht sagen, sagt Schmitt. „Falls ja, würden wir aber die Interessenten vor der endgültigen Entscheidung für die Ausbildung zu einer Hospitation nach Deutschland einladen. Damit sie sehen, wie wir hier arbeiten.“

Zu berücksichtigen sei auch, dass künftige Teilnehmer durch die Neuordnung der Ausbildung sowohl Altenpflege als auch Krankenpflege und Kinderkrankenpflege durchlaufen müssten, sagt Pflegedienstleiter Marcus Gehlen. Dadurch sind sie noch häufiger als vorher schon an verschiedenen Standorten im Einsatz. Eine Tatsache, die es gerade für Menschen aus dem Ausland nicht gerade einfacher mache, sagt Gehlen. Denn die Motivation für den Job hänge auch mit dem „Ankommen“ in einer Gesellschaft zusammen, weiß er. So hat er beim VfR Rockenhausen schon einmal für ein Fußballtraining der beiden Albaner vorgefühlt. Eine Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen in der neuen Heimat.

Wenn er die leichten Probleme mit seinem Knie in den Giff bekomme – und auch nicht mehr gar so viel lernen müsse – wolle er das gerne wahrnehmen, sagt Topi. Von der Besucherseite haben beide Auszubildende den Pfälzer Fußball freilich schon erlebt. Beim Derby 1. FC Kaiserslautern gegen Waldhof. Sie schwärmen von der Atmosphäre. Nur bei Nationalspielen würden sie dann doch ihrer Heimat Albanien die Daumen drücken. Florian Riesterer

Fachkräftemangel

Vor dem Hintergrund des wachsenden Personalbedarfs in der Alten- und Krankenpflege ist zuletzt die Zahl der gemeldeten Stellen weiter gestiegen. Im Jahresdurchschnitt 2018 waren laut der jüngsten Statistik der Bundesagentur für Arbeit vom Mai diesen Jahres 23900 Stellen für Arbeitskräfte im Bereich der Altenpflege sowie 15700 Stellen für die Krankenpflege bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet. Der Fachkräftemangel betreffe dabei flächendeckend alle Bundesländer. Gemeldete Stellenangebote für examinierte Altenpflege-Fachkräfte und -spezialisten sind im Bundesdurchschnitt 183 Tage vakant (gleitender Jahreswert Oktober 2018). flor

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