Die Dokumentation: Gemeinsames Wort zu Weihnachten 2020

Bischof Wiesemann und Kirchenpräsident Schad: Im Kind in der Krippe tritt die Zerbrechlichkeit des Lebens unmittelbar vor unsere Augen

Menschenleer: Weihnachtspyramide auf dem Domplatz in Erfurt. Foto: action press

Liebe Schwestern und Brüder in Bistum und Landeskirche und in der Weite der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der Region Südwest!

„Fürchtet euch nicht! Heute ist euch der Retter geboren: Christus, der Herr!“ Die Botschaft des Engels trifft uns in Zeiten von Corona anders, tiefer, unmittelbarer als sonst. Ihr leiser Ruf tröstet, dringt durch – auch durch den Riss dieser Pandemie. Gott bleibt nicht bei sich, geht über sich hinaus, macht sich das Fremde zum Nächsten. Gott wird Mensch – vor uns und für uns. Das ist unsere Rettung.

Der Mensch gewordene Gott, er steht gerade in diesen Tagen an unserer Seite. Im Kind in der Krippe tritt die Begrenztheit und Zerbrechlichkeit unseres Lebens unmittelbar vor unsere Augen. Christus lebt unser Leben mit seinen Höhen und Tiefen. Er leidet in und mit denen, die selbst – oder deren Angehörige an Corona erkrankt sind. Er weiß um die Sorgen derer, die an den Auswirkungen der Pandemie schwer tragen. Er gibt denen Kraft, die solidarisch handeln. Die um der Gesundheit anderer willen Einschränkungen auf sich nehmen. Er ist das Leben in Fülle für die, die durch das Virus oder mit ihm gestorben sind. Er schließt die in seine Arme, die um sie trauern. In jeder und jedem von uns erfüllt sich das Geheimnis der Menschwerdung Gottes. Jedes Mal neu, wenn wir uns für seine Ankunft in unserem Leben öffnen. Uns von ihm in Dienst nehmen lassen für ein menschlicheres Antlitz dieser Welt.

Die „stille Nacht“ und das „einsame Wachen“ werden nicht wenige schmerzhaft am eigenen Leib erfahren. Wir vermissen das herzliche Beisammensein zum Fest im Kreis unserer Familien. Wir fühlen mit allen mit, die gerade an diesem Fest unter der Einsamkeit leiden, insbesondere mit den vielen, die auf Isolier- oder Intensivstationen um ihr Leben ringen. Und wir sind dankbar für alle, die gerade an diesen Tagen Dienst für die tun, die auf Hilfe angewiesen sind.

Dieses von der Pandemie gezeichnete Fest weitet unseren Horizont. Und der ist größer als der eigene häusliche Kreis. Weihnachten ist ein Fest der Menschheitsfamilie: Weil Gott Mensch wird, sind wir in ihm in unzerstörbarer gemeinsamer Würde als Schwestern und Brüder miteinander verbunden. Das Licht von Weihnachten ist an keine warme Stube, an keinen Tannenbaum und keine Lichterkette gebunden. Es dringt hinein bis in die hintersten und die dunkelsten Winkel menschlichen Lebens. Die Solidarität Gottes mit uns überwindet jede Distanz, durchdringt jede Trennung. Weihnachten ist an keine Bedingung gebunden – es findet immer statt, weil Gott unser Menschenleben mit uns lebt.

Unsere Ökumene heute, das gemeinsame Zeugnis von der Menschenfreundlichkeit Gottes, das wir in unserer Welt geben dürfen und sollen, ist herangewachsen gerade in sehr einsamen und dunklen Stunden durch Menschen wie den Jesuitenpater Alfred Delp oder den evangelischen Pfarrer Dietrich Bonhoeffer, die aufgrund ihres Widerstands zum Naziregime Weihnachten und den Jahreswechsel 1944/1945 in ihren Todeszellen verbringen mussten. Da hat sich der Horizont geweitet und ist das Geheimnis von Weihnachten, das jeden Abgrund, jede Trennung überwinden kann, neu aufgeleuchtet. Ihre Worte, die uns noch heute vom Trost und Mut unseres gemeinsamen Glaubens an den menschgewordenen Gott auf berührende Weise künden, gehen uns gerade am diesjährigen Fest unter die Haut, wirken tiefer als alle Kontaktsperren: „Lasst uns dem Leben trauen, weil wir es nicht alleine zu leben haben, sondern weil Gott es mit uns lebt“ (Alfred Delp). „Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag“ (Dietrich Bonhoeffer).

Das ist es, was wir Ihnen, liebe Schwestern und Brüder, im gemeinsamen Glauben daran, dass uns der Retter geboren ist, zu diesem Fest in „Geist und Sinn“ hineinsprechen, in „Herz, Seel und Mut“ hineinschreiben wollen: „O Sonne, die das werte Licht des Glaubens in mir zugericht, wie schön sind deine Strahlen“ (Paul Gerhard).

Das ist der große Horizont von Weihnachten, das helle Licht im Dunkel der Menschheit, das warme Licht in der Kälte der Einsamkeit, das tröstende Licht in den Wunden der Seele. So wünschen wir Ihnen und Ihren Familien von Herzen ein gnadenreiches, von der Hoffnung und Zuversicht unseres Glaubens geprägtes Christfest.

Speyer, im Advent 2020

Dr. h.c. Christian Schad, Präsident
der Evangelischen Kirche der Pfalz

Dr. Karl-Heinz Wiesemann,
Bischof von Speyer
 

Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa

Die Weihnachtsgeschichte nach Lukas: Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt.

Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das judäische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum dass er von dem Hause und Geschlechte Davids war, auf dass er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.

Und da die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen gen Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. Da sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, welches zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. Und alle, vor die es kam, wunderten sich über die Rede, die ihnen die Hirten gesagt hatten. Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war. Lukas 2, 1–14; Martin Luther (2017)

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