Auf Leipzig folgt die Kirchenspaltung

von Martin Schuck

Martin Schuck

Für Martin Luther war die Leipziger Disputation der Höhepunkt einer turbulenten Zeit, in der er in drei Disputationen seine Kritik an der mittelalterlichen Theologie gegen Vertreter der Papstkirche verteidigte. Danach war klar, dass es für Luther keinen Platz mehr innerhalb der katholischen Kirche geben würde.

Den Anfang machte im April 1518 die Heidelberger Disputation, in deren Verlauf Luther weniger seine Thesen zum Ablass verteidigte, um die es eigentlich gehen sollte, sondern die damalige Theologie, die durch den Papst symbolisiert wurde, insgesamt kritisierte. Damit verschaffte er sich große Sympathie bei den Humanisten, die ihm nach der Heidelberger Disputation in Scharen zuliefen. Außerdem hatte Luther sein Lebensthema gefunden: Die Theologie des Kreuzes mit all ihren Implikationen wie etwa der Lehre vom verborgenen Gott.

Die nächste Station war das Verhör Luthers durch den päpstlichen Legaten Kardinal Cajetan am 12. Oktober 1518 auf dem Augsburger Reichstag. Cajetan hatte den Auftrag, Luther der Ketzerei zu überführen. Im Verhör, das in einen Disput über Kirche, Papst und Konzil ausartete, bestritt Luther die Autorität des Papstes. Am nächsten Tag formulierte er, wie auf Reichstagen möglich, eine Protestnote, wonach er sich nicht bewusst sei, irgendetwas gegen die Heilige Schrift, gegen die Kirchenväter, gegen die päpstlichen Dekrete und gegen die Vernunft gelehrt zu haben. Das Rechtsinstitut der Protestation schützte ihn vor Verfolgung und Verurteilung.

Den Abschluss bildete dann im Juni und Juli 1519 die Leipziger Disputation. Sein Gegner Johannes Eck wollte Luther in die Enge treiben und warf ihm vor, dass das, was er lehrte, auch schon von dem Engländer John Wyclif und dem Böhmen Jan Hus gelehrt worden sei. Deren Lehre sei auf dem Konzil von Konstanz als häretisch verurteilt worden. Folglich sei Luther auch ein Häretiker. Luther musste zugeben, dass Hus und Wyclif viel Richtiges gelehrt hätten. Das Konzil habe geirrt, als es deren Lehre verurteilte. Damit hatte sich Luther selbst von der letzten rettenden Plattform mittelalterlicher Theologie heruntergestoßen. Das ganze Mittelalter hindurch gab es Theologen, die die Autorität des Konzils über den Papst stellten. Diese Position konnte vertreten werden, ohne gleich der Häresie zu verfallen. Auf der anderen Seite war es natürlich möglich, Konzilien des Irrtums zu überführen, aber dann musste man der Meinung des Papstes recht geben.

Luther lehnte erst die herkömmliche Theologie als Ganze ab, bestritt dann die Autorität des Papstes und erklärte obendrein die Konzilien für irrtumsfähig. Damit entzog er sich den kirchlichen Boden unter den Füßen. Von da an war absehbar, dass aus der reformatorischen Bewegung eine eigene Form von Kirche entstehen würde, die nach anderen Prinzipien funktionieren musste als die Papstkirche.

Meistgelesene Artikel