Wenig im Netz: Viel für die Kirche

von Renate Haller

Renate Haller

Immer noch lassen sich viele Jugendliche konfirmieren, 2016 waren es gut 185 000 in Deutschland. Sie beschäftigen sich zuvor ein Jahr lang mit ihrem Glauben, mit der Religion, machen mitunter ein Gemeindepraktikum und feiern am Ende ein großes Fest. Am Ende? Ja, für die allermeisten ist es erst einmal das Ende in der Kirche. Diese versucht aber, sich dagegenzustemmen.

Nach der Konfirmation verschwinden die Jugendlichen aus den Gruppen und den Gottesdiensten. Laut der kürzlich veröffentlichten Freiburger Studie bleiben eher die jungen Menschen der Kirche erhalten, die während ihrer Konfirmandenzeit ein Ehrenamt übernommen haben. Die Mehrheit ist das nicht. Ab dem 18. Lebensjahr schließlich steigt die Neigung, aus der Kirche auszutreten, auch das ist ein Ergebnis der Studie.

Will sie die jungen Menschen nicht verlieren, tut die Kirche also gut daran, sich um sie zu kümmern. Dazu muss sie dorthin gehen, wo die Jugend anzutreffen ist – um die sozialen Medien kommt die Kirche nicht herum. Deshalb hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) vor gut einem Jahr den Youtube-Kanal „Jana glaubt“ installiert. Dort erzählt die inzwischen 20-jährige Jana Highholder regelmäßig aus ihrem Leben, nimmt die Zuschauerinnen und Zuschauer mit auf einen Gang durch die Stadt, zu einem Besuch in der JVA oder an den Schreibtisch, an dem sie für ihr Medizinstudium lernt.

Mit ihr ist es der EKD gelungen, eine christliche Influencerin zu platzieren, eine Meinungsmacherin mit einer gewissen Reichweite im Internet. Die ist zwar geringer als die vieler Kolleginnen, die Schmink- und Modetipps geben. Aber immerhin 14?000 Menschen haben ihren Kanal innerhalb eines Jahres abonniert. Das ist wenig im Netz, aber viel für die Kirche.

Alles gut, könnte man meinen. Wäre da nicht der konservative Grundton der in einer Freikirche sozialisierten Jana. Ausgehend vom Pauluswort „Frauen, ordnet euch euren Männern unter, wie dem Herrn. Denn der Mann ist das Haupt der Frau“ (Epheser 5, 21–33) hat sie begründet, warum sie es für völlig in Ordnung hält, dass der Mann das Oberhaupt der Familie ist. Sie erklärt es mit Macht, die nicht missbraucht, mit der Liebe des Mannes zur Frau, die so stark sei wie die Liebe Jesu zur Gemeinde.

Das Gute ist, dass sie konträre ­Ansichten zulässt. Das Schlechte, dass die EKD auf junge Menschen mit ­einer Protagonistin zugeht, die ein ­völlig antiquiertes Familienbild transportiert. In der säkularisierten Welt dürfte es nicht einfach sein, weitere junge Gesichter für die Botschaft der Kirche zu finden und sie sowohl mit Glaubensthemen als auch mit dem Alltag junger Menschen im Netz zu etablieren. Dazu braucht es nicht nur neue Konzepte, sondern auch den Mut, etwas auszuprobieren. Und auch den Mut, etwas wieder zu lassen, wenn es sich als falsch erweist.

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