Der Mörder und seine Komplizen

von Hartmut Metzger

Hartmut Metzger

Der 50-fache Mord von Christchurch ist ein einmaliges Ereignis in der langen Liste menschlicher Untaten. Bisher einmalig: Der 28-Jährige hat seine Tat gefilmt und live über Facebook gestreamt. Das Video des Massenmords kursiert in den sozialen Netzwerken und wird dort massiv geteilt. In den ersten 24 Stunden nach der Tat löschte ­Facebook 1,5 Millionen Videos und wird ­diese Untat dennoch niemals mehr „löschen“ können. Das Video wird andernorts wieder hochgeladen. Es ist in der Welt. Eine neue Art des Terrors, der es nicht mehr um die Opfer, sondern um die Bilder geht.

Die 50 Opfer waren zwischen zwei und 77 Jahren alt, vermutlich alle muslimischen Glaubens. Sie alle haben eine Herkunft und Familie. Viele sind als Einwanderer nach Neuseeland gekommen, aus Ländern wie ­Syrien, Pakistan, Bangladesch, Afghanistan, Ägypten, Saudi-Arabien und Indien. Zur Zeit des Freitagsgebets drang der Täter in die Moschee in der Innenstadt von Christchurch ein und schoss, wenig später wiederholte sich das Geschehen in einer kleineren Vorortmoschee. Er filmte die Morde mit einer Helmkamera und zeigte seine Tat 17 Minuten lang – live auf Facebook.

Der moderne Massenmörder sendet seine Botschaft in die Welt. Er ist Einzeltäter und zugleich Produzent, Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller. Den Vertrieb übernehmen die anderen, digitale Voyeure. Sie teilen sein Video und laden es – zum Schutz vor Löschfiltern – bisweilen verändert wieder hoch. Damit hat der Täter sein Ziel erreicht. Durch die von Neugier getriebene Verbreitung seiner Tat gewinnt er unglaublich viele Komplizen. Eine Verhöhnung der Opfer. Sie starben analog und sterben in der digitalen Welt. Wollen wir uns das gefallen lassen?

Meistgelesene Leitartikel & Kommentare