Angst vor Fremden zerstört die Freiheit

von Martin Schuck

Martin Schuck

Die Angst vor Fremden hat schon so manches Gemeinwesen zerstört. Dabei ist es gleichgültig, ob die Fremden durch ihr ­Handeln gefährlich sind oder nicht. Entscheidend ist, dass es genügend Menschen gibt, die eine Stimmung der Angst erzeugen, indem sie den Fremden alles Mögliche ­zutrauen – nur eben nichts Gutes.

Die Zerstörungswut dieser Angst vor dem Fremden lässt sich bereits in der Bibel erkennen. Große Teile des Alten Testaments, vor allem die Königsbücher und die Propheten, lesen sich wie eine Polemik der rechtgläubigen Menschen aus dem Südreich Juda gegen die Götzendiener aus dem Nordreich Israel. Während die Judäer Gott im Tempel in Jerusalem anbeten, verehren die Israeliten in Sichem, dem späteren Samaria, ihre Stierbilder. Später, zur Zeit Jesu, gelten die Bewohner Samarias als Sünder, also als Menschen, die aus Sicht der Juden trotz besseren Wissens nicht vom Götzendienst ablassen. Im Falle Israels und Samarias pflanzen sich Ängste und Vorurteile fort und machen aus nahen Verwandten Fremde.

Auch heute scheint die Angst vor Fremden viele Menschen fest im Griff zu haben. Das hat die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern gezeigt. Aber gerade dort ist es eine Angst vor imaginären Fremden, denn der Ausländeranteil beträgt dort gerade einmal 3,7 Prozent – so wenig wie in keinem anderen Bundesland. Dennoch war für fast ein Viertel der Wähler die Angst vor kaum vorhandenen Fremden, die man nicht kennt und denen man deshalb alles zutraut, Grund genug, die rechtspopulistische AfD oder gar die rechtsradikale NPD zu wählen. Dabei ­zeigen die Beispiele Polens und Ungarns, dass Abschottung vor Fremden Demokratie und Freiheit zu zerstören droht.

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