Das Kindeswohl und der Führerschein

von Klaus Koch

Klaus Koch

Revolutionären war die Kleinfamilie immer ein Dorn im Auge. Denn es ist die Familie, die die bürgerliche Gesellschaft zusammenhält. Wer eine andere Gesellschaftsform will, muss nahezu zwangsläufig die Familie ablehnen. Die Sorge um das Wohl der Angehörigen diszipliniert abhängig Beschäftigte und hemmt den Drang, sich gegen Autoritäten aufzulehnen. Die Familie ist also ein Garant des bürgerlich-kapitalistischen Systems.

So gesehen steht es schlecht um die herrschende Gesellschaftsordnung. Die klassische Familie wankt. 20 Prozent der Eltern in Deutschland würden sich einer Studie zufolge heute nicht mehr für Kinder entscheiden. Viele Ehen gehen in die Brüche – und drei Viertel der Unterhaltspflichtigen zahlen keinen oder zu wenig Unterhalt. Zeichen dafür, dass vielen Menschen das eigene Wohl wichtiger ist als das ihrer Kinder. Die Folge ist, dass immer mehr Kinder von Armut bedroht sind. Wahrlich eine schlechte Ausgangslage für ein gelingendes Leben.

Eigentlich müssten Staat und Gesellschaft viel mehr gegen diesen skandalösen Missstand unternehmen, untergräbt er doch das ganze System. Trotzdem sind die Hartz-IV-Sätze für Kinder sehr gering, Betreuungs­angebote ausbaufähig und die Sanktionen gegen nicht oder schlecht zahlende Väter – Mütter sind es nur selten – viel zu lasch. Im letzten Punkt hat sich nun die SPD zu Wort gemeldet und den Führerscheinentzug für Alimente-Verweigerer gefordert. Das entspricht dem alten Geschlechterbild, wonach das Auto des Mannes wichtigstes Status­symbol ist. Und es passt in die Realität einer ­Gesellschaft, in der ein Mensch, der in einer Werkstatt Autos repariert, meist mehr verdient als ein Mensch, der in einer Tages­stätte Kinder betreut.

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