Das Gewissen und die Glaubensdinge

von Stefan Mendling

Stefan Mendling

Papst Franziskus hat ein Machtwort gesprochen, das der katholischen Kirche weltweit im Umgang mit Fragen zu Sexualität und Familie Orientierung geben soll: „Amoris laetita“ (Die Freude der Liebe) heißt das apostolische Schreiben, das sich rund um die Sexualmoral der Kirche dreht. Darin weicht das Kirchenoberhaupt in Rom nicht grundsätzlich von der bisherigen Lehre ab. Die Homo-Ehe bleibt für die katholische Kirche weiterhin Teufelszeug, die Ehe als solche gilt immer noch als unauflöslich. Was sich aber ändern soll, ist der seelsorgerliche Umgang mit den Betroffenen.

Grundsätzlich soll der Priester vor Ort nicht päpstlicher sein als der Papst, zum Beispiel wenn es darum geht, ob wiederverheiratete Geschiedene an der heiligen Kommunion teilnehmen dürfen. Die Entscheidung könne, so Papst Franziskus, nicht von ihm oder einer Synode getroffen werden, sondern liege nach Prüfung der konkreten Situation in der Verantwortlichkeit des Priesters. Damit gibt der Papst ein Stück seiner Macht ab und will wohl auch dem Eindruck entgegenwirken, es gäbe in der Kirche eine Art „Doppelmoral“. Die reine Lehre und die Praxis dürfen künftig voneinander abweichen, denn der Maßstab für das Handeln der Kirche ist nunmehr das menschliche Gewissen.

Dass das Gewissen die entscheidende Ins­tanz ist, wenn es um Glaubensdinge geht, hat Martin Luther bereits vor 500 Jahren festgehalten. Damals führte genau diese Erkenntnis zur Bildung der protestantischen Kirche. Wäre Rom schon etwas früher darauf gekommen, wären viele Glaubenskriege vielleicht gar nicht nötig gewesen. Die Zeit kann man nicht zurückdrehen, aber man kann der katholischen Kirche zu ihrer neuen Erkenntnis gratulieren und sagen: weiter so!

Meistgelesene Leitartikel & Kommentare