Europa kommt die Moral abhanden

von Hartmut Metzger

Hartmut Metzger

Diese sogenannte „Europäische Gemeinschaft“ ist auf dem besten Weg zu einer Stierkampfarena für staatliche Egoismen und politische Eigeninteressen zu verkommen. Ihre Akteure erinnern an Toreros, die ohne jede Eleganz um ihr politisches Überleben in ihren Heimatstaaten kämpfen und dabei die gemeinsamen Aufgaben und die humanitären Herausforderungen aus den Augen verlieren. Auf dem vorläufigen Höhepunkt dieser Krise zeigt sich: Europa, dem angeblich so christlichen Abendland, fehlt inzwischen das moralische Fundament.

Während in Syrien Kinder verhungern oder zwischen der Türkei und Griechenland elend im Mittelmeer ersaufen, streiten 28 Regierungschefs über den Staatsegoismus der Briten, um deren Austritt aus dieser zweifelhaften „Gemeinschaft“ – natürlich aus Wirtschaftsinteressen – zu verhindern. Diese Egoismen haben aber den humanitären Katastrophen im Nahen Osten und in Afrika erst den Boden bereitet. Gute Geschäftsbeziehungen zu potenten Diktatoren (dank dem importierten Öl) schmieren die heimische Wirtschaft! Gute Absatzmärkte für in Europa überflüssige Produktionen sind willkommen, aber sie machen die aufkeimende Wirtschaft in Afrika kaputt!

Europa erntet, was es sät: Zerstörung kultureller Strukturen in der Kolonialzeit des 19. Jahrhunderts, ökonomische Ausbeutung im 20. Jahrhundert und nicht zuletzt eine katastrophale Politik in diesen Jahren. Es kann doch nicht sein, dass den Hilfsorganisationen, die hungernde Kriegsflüchtlinge in syrischen Lagern versorgen, auch noch diese Mittel gekürzt werden. Dann verhungern die Menschen dort aber ganz sicher – sofern sie nicht das Geld haben, um sich auf den Weg zu machen und die Schlepper zu bezahlen.

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