Rom und Moskau wollen Entspannung

von Martin Schuck

Martin Schuck

Für ein Treffen zwischen dem römischen Papst und dem Moskauer Patriarchen gibt es kaum einen neutraleren Ort als den Flughafen von Havanna. Im noch kommunistischen Kuba fehlt beiden jene Hausmacht, die Vorteile bei der Produktion öffentlichkeitswirksamer Bilder verschafft. So entsteht erst gar nicht die Erwartung nach einer feierlichen Versöhnungszeremonie, wenn in einem nüchternen Flughafengebäude zwischen Papst Franziskus und Patriarch Kyrill eine wahrhaft historische Begegnung stattfindet.

Der Patriarch von Moskau ist der letzte ranghohe Kirchenführer, der bis vor Kurzem beharrlich ein Treffen mit dem Papst verweigerte. Sein Außenamtssprecher, Metropolit Hilarion, dementierte noch Mitte Januar das damals durchsickernde Gerücht eines bevorstehenden Treffens zwischen Papst und ­Patriarch mit den Worten, dafür sei die Zeit noch nicht reif. Seit der Erhebung des ­Moskauer Bischofssitzes zum Patriarchat im Jahr 1589 betrachtet sich der dortige Patriarch als ebenbürtiger Gegner des Papstes, wenn es um die Bewahrung und Reinhaltung des christlichen Glaubens geht.

Nach der Eroberung Konstantinopels 1453 durch die Osmanen übernahm der Moskauer Metropolit zunehmend eine führende Rolle innerhalb der Orthodoxie. Nach der Patriarchatserhebung nahm er in der altkirchlichen Ordnung der Orthodoxie die seit dem Schisma von 1054 frei gewordene Stelle Roms ein. Seither gilt Moskau den Orthodoxen als das „neue Rom“. So treffen mit Franziskus und Kyrill zwei Amtsinhaber aufeinander, deren Vorgänger sich jahrhundertelang kaum eine Provokation schuldig geblieben sind. Dass sich die beiden während ihrer ­jeweiligen Auslandsreisen kurz treffen, ist ­eine längst fällige Geste der Entspannung.

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