Seelsorge in kritischer Solidarität zur Bundeswehr

Pfarrer Alexander Beck sieht Militärpfarramt als kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt der Soldaten – Zivilist ohne Rang nicht Teil des Systems

Krieg ist nie eine Lösung: Pfarrer Beck vor der Kaserne in Niederauerbach. Sein Vater war dort als Soldat stationiert. Foto: Steinmetz

„Ich bin kein Soldat, sondern Zivilist ohne Rang. Ich bin nicht Teil des Systems Bundeswehr.“ Für Militärseelsorger Alexander Beck sind das zentrale Voraussetzungen, um seinen Dienst bei der Armee leisten zu können. In Finnland oder den USA ginge das für ihn nicht, sagt Beck, der im März das evangelische Militärpfarramt Zweibrücken übernommen hat. In diesen beiden Ländern sind die Militärpfarrer Offiziere und so in die militärischen Strukturen eingebunden.

Der 50-jährige Beck, der zuvor als Gemeindepfarrer in Hassel gearbeitet hat, versteht seine Aufgabe als kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt der Soldaten. Das sei genauso sinnvoll wie die Polizeiseelsorge und die Gefängnisseelsorge, sagt er. Schließlich verpflichte sich jeder Soldat, sein Leben für die Gemeinschaft einzusetzen.

Er stehe in kritischer Solidarität zur Bundeswehr, sagt Beck, der selbst keinen Wehrdienst geleistet hat. Die Soldaten seien mündige Bürger in Uniform, die in einem hierarchischen, aber nicht in einem totalitären System arbeiteten. Zudem sei die Bundeswehr eine Parlamentsarmee, ihre Aufträge und Einsätze also stets demokratisch legitimiert. Eine Demokratie, die ernst genommen werden wolle, müsse wehrhaft sein. Allerdings, so der Pfarrer, sei es ein Problem, dass die heutigen Staatschefs keine persönlichen Erfahrungen und Erinnerungen an den Krieg haben. „Mir macht Sorge, dass die alle nicht aus eigener Anschauung wissen, wie schrecklich Krieg ist.“

Friedensethisch könne er viele Thesen der Friedensbewegung unterschreiben, sagt Beck. Krieg könne nie Lösung eines Problems sein, und einen gerechten Krieg gebe es nicht. Aber es gebe Situationen, in denen könne man sich nur schuldig machen: durch Handeln oder durch Nichtstun. Als Beispiel nennt der Pfarrer das ehemalige Jugoslawien. Dort habe das Töten mit militärischen Mitteln verhindert werden müssen.

Einen festen Tagesablauf gibt es für Beck in der Zweibrücker Kaserne mit ihren 1200 Soldaten nicht. „Meine Tür steht immer offen, die meisten Soldaten kommen ohne Anmeldung.“ Er habe an seinem neuen Arbeitsplatz deutlich mehr Seelsorgegespräche als früher in der Gemeinde. Oft hätten die Soldaten Probleme durch die lange Trennung von der Familie. Über andere Inhalte der Gespräche möchte der Seelsorger nicht reden.

Beck bietet zudem Rüstzeiten von bis zu einer Woche an, für Soldaten alleine oder für Soldaten mit ihren Familien. „Die sind immer ausgebucht, und es sind auch manchmal Muslime dabei.“ Zu seinen Aufgaben gehört auch der sogenannte „Lebenskundliche Unterricht“, in dem ethische und gesellschaftspolitische Themen besprochen werden. Auch Kasualien stehen auf dem Programm, er hat die Mutter eines Soldaten beerdigt und einen Soldaten, der bei einem Unfall ums Leben gekommen ist. Ebenso verheiratet er Soldaten, tauft ihre Kinder und wird ab der Adventszeit auch regelmäßige Andachten halten.

Da die Zweibrücker Fallschirmspringer schon Gefallene bei ihren Auslandseinsätzen zu beklagen hatten, spielt das Gedenken in der Kaserne eine große Rolle. Jedem Gefallenen wird jährlich an seinem Todestag gedacht, sagt Beck. „Und dazu treten dann schon mal 500 Kameraden an.“ In den kommenden Jahren soll die Kaserne in Zweibrücken eine Kapelle erhalten. Die Pläne dazu seien entstanden, als die ersten Gefallenen nach Zweibrücken zurückgekommen seien, sagt Beck. Da haben die Soldaten gemerkt: Hier fehlt etwas. Nach früheren Schätzungen soll die Kapelle 800000 Euro kosten. Den größten Anteil zahlt der Bund, aber auch die Kirchen geben etwas dazu.

Im ersten Amtsjahr als Militärpfarrer sei er vor allem ein Lernender, sagt Beck. So habe er etwa lernen müssen, Menschen zu begleiten, denen eine Todesnachricht überbracht wird. „Als Gemeindepfarrer wird man meist ja erst gerufen, wenn die Angehörigen vom Tod schon wissen.“ Sehr geholfen habe ihm dabei die Hilfe von Polizeiseelsorgerin Anne Henning.

Nicht lernen muss der Seelsorger, sich in das Berufsleben eines Soldaten hineinzuversetzen. Im Gegensatz zu ihm war sein Vater Soldat. In den Zeiten des heißen kalten Kriegs war er Fallschirmjäger. Er tat seinen Dienst in Zweibrücken-Niederauerbach. Genau da, wo sich sein Sohn nun um die Soldaten kümmert. Klaus Koch

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