Tiere im Kindergarten

Panzerpflege mit Olivenöl: Erzieherin Sonja Antes, Marc, Isabella und Sofia (von links) kümmern sich in der protestantischen Kinder tagesstätte Betzenberg in Kaiserslautern um Schildkröte Maxi.
Panzerpflege mit Olivenöl: Erzieherin Sonja Antes, Marc, Isabella und Sofia (von links) kümmern sich in der protestantischen Kinder tagesstätte Betzenberg in Kaiserslautern um Schildkröte Maxi.

Die Tiergestützte Pädagogik in der Kindertagesstätte Betzenberg in Kaiserslautern lässt auch dem Tod eigenen Raum

In der Kindertagesstätte Betzenberg in Kaiserslautern leben Wüstenrennmäuse, Sumpfschildkröten, Fische, Wellensittiche, Kaninchen, Riesenschnecken, Schwimmwühlen, ein Axolotl und eine Bartagame. Der kleine Zoo ist kein Zufall, schließlich hat sich die Einrichtung schon vor 20 Jahren der tiergestützten Pädagogik verschrieben. Ausschlaggebend war ein Erlebnis mit einem Mädchen, bei dem viele Versuche scheiterten, es zum Sprechen zu bewegen, erzählt Leiterin Nadja Lobodda. Schließlich sprach es doch – mit einem Hund.

Seitdem hat sich das Team in diesem Bereich fortgebildet. Die Kinder übernehmen vor allem beim Füttern Verantwortung für die Tiere, lernen die richtige Haltung in genügend großen Becken, Terrarien oder Käfigen kennen und dürfen den Tieren natürlich auch ihre Zuneigung zeigen. Schildkrötenpanzer werrden zur Pflege mit Olivenöl eingerieben werden. Die Reptilien schätzen es außerdem, wenn die Kinder ihren Panzer kraulen, sagt Lobodda. Schnecken kriechen über Kinderhandflächen und freuen sich über das Salz auf der Haut, auch Kaninchen und Mäuse sind handzahm. Natürlich erleben die Kinder genauso, wenn Tiere krank werden. „Einmal hing ein Fisch auf der Seite im Aquarium und die Kinder haben darauf aufmerksam gemacht, zum Tierarzt zu gehen“, sagt Lobodda.

Wenn ein Tier stirbt, wird das selbstverständlich in den Gruppen thematisiert. „Unsere Kinder erleben den Tod der Tiere regelmäßig“, sagt Lobodda. Dies sei ganz natürlich, werde nicht totgeschwiegen, wie es leider allzu oft der Fall sei in Familien. „Es ist auch ein Riesenproblem, dass man Menschen kaum mehr zu Hause sterben lässt“, sagt Lobodda. Auf diese Weise werde das Sterben zum Teil etwas von seiner Natürlichkeit beraubt. Natürlich werde auch das Tier zum Tierarzt gebracht, bevor es leide. „Aber es ist es uns am liebsten, wenn das Tier in der Einrichtung stirbt“, sagt Lobodda.

Gemeinsam mit den Erzieherinnen suchen die Kinder auf dem Gelände ein passendes Grab. Vor der Beerdigung selbst bekommen die Kinder ausreichend Zeit, sich von dem Tier zu verabschieden, können noch einmal streicheln, wenn sie möchten. Die Kinder machen sich Gedanken darüber, wo die Seele des Tieres landet, nachdem die Hülle beerdigt wurde. „Wir legen Wert darauf, dass das nict im Himmel ist“, sagt Lobodda. Das sei für viele Kinder eine wenig nachvollziehbare Vorstellung angesichts dessen, was man am Himmel sehe – oder besser - nicht sehe. Besser sei, zu vermitteln, dass das Tier nun bei Gott sei - und Gott sei eben überall. Hier sei es gut, auch die eigenen Unsicherheiten und Zweifel zuzulassen. „Wir wissen schließlich nicht, wie es bei Gott aussieht.“ Bei der Beerdigung selbst können die Kinder beten und Erinnerungen an das Tier loswerden.

Jeder ist so, wie er ist, richtig, jedes Leben wird geschätzt, das ist einer der Grundsätze, den die Kinder erfahren, sagt Lobodda. Dazu gehört auch, dass für das Tier nicht sofort ein Ersatz angeschafft werde. Die Lücke solle gespürt werden, jedes Lebewesen sei unersetzlich. Zugleich erlebten sich die Kinder nicht als das schwächste Glied in der Gesellschaft. Das stärke sie. „Die Tiere geben ihnen Trost, sie erzählen ihnen mitunter ganz andere Sachen“, sagt die Einrichtungsleiterin. Gerade für neue Kinder sei das ideal. Der Tod des Tieres sei für die Kinder wiederum oft der Anlass, über Erfahrungen mit dem Tod in der eigenen Familie zu sprechen.

Und auch die Eltern werden mit den Tieren leichter erreicht. Sei einer der Hunde bei einem Gespräch mit Erzieherinnen dabei, kämen viel schneller Themen aus dem Alltag zur Sprache. Das Tier sei ein Türöffner, sagt Lobodda. Auch die Stimmung sei viel gelöster, „man wird im Gespräch nicht so laut, wenn man gleichzeitig einen Hund krault“. Dies sei umso wichtiger, weil die Kindertagesstätte in einem problematischen Wohngebiet liege. Es gehe darum, Familien zu stärken und zu beraten, etwa beim Thema Schulden. Die tiergestützte Pädagogik sei so Teil des Konzepts der Lebenswelt-und Sozialraumorientierung. Die Kindertagesstätte ist mit diesem Thema eine von aktuell neun Konsultationskindertagesstätten in Rheinland-Pfalz und die einzige in evangelischer Trägerschaft. Kooperierende Fachschulen der Kindertagesstätte sind die Fachschule Sozialwesen in Rockenhausen und die Nikolaus von Weis Schule in Landstuhl. Florian Riesterer