Weil Licht stärker als alles Dunkel ist

von Hartmut Metzger

Hartmut Metzger

„Wie hätten sie da an die Pest denken sollen, die der Zukunft, dem Reisen und dem Gedankenaustausch ein Ende macht? Sie glaubten sich frei, und keiner wird je frei sein, solange es Geißeln der Menschheit gibt.“ Sehr viele Menschen erinnern sich in diesen Wochen an den Roman „Die Pest“, den Albert Camus 1947 in Frankreich veröffentlicht hat. In Deutschland ist er derzeit vergriffen. Rowohlt druckt die 90. Auflage. Camus‘ Roman liest sich wie eine Parabel auf das Erleben der Corona-Pandemie, wobei er die Begrenztheit des Blicks und das Sehnen nach Hoffnung im Werk des erklärten Atheisten besonders deutlich werden lässt.

Albert Camus – mit 43 Jahren Nobelpreisträger für Literatur, mit 46 Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen – hat das wohl selbst so empfunden. Dem in Krankenhäusern und am häuslichen Herd gegen die Pest ankämpfenden Menschen reicht der Protest in seiner scheinbar hoffnungslosen Situation nicht aus. Er sucht nach Solidarität, Freundschaft und Liebe. Er bekämpft die Pest, und er siegt. Er überlebt, und er weiß, dass „der Pestbazillus niemals ausstirbt oder verschwindet“, und dass „vielleicht der Tag kommen wird, an dem die Pest zum Unglück und zur Belehrung der Menschen ihre Ratten wecken und erneut aussenden wird …“.

Hier wird die Ausweglosigkeit menschlicher Existenz als Betriebsunfall des eigenen Denkens formuliert: der Tod als absolutes Ende, das ebenso wenig Sinn hat wie das Leben selbst. Hier gibt es kein Osterfest, keine Auferstehung und keine absolute Begründung menschlicher Existenz, die den Menschen als Ebenbild Gottes ausweist und ihm die Hoffnung auf neues Leben schenkt. Camus wusste um dieses Defizit des Existenzialismus und hat zeitlebens dagegen angeschrieben. Ja, der Mensch kann gegen das Absurde ankämpfen; gegen Leid, Ungerechtigkeit und Verfolgung ohne Aussicht auf Erfolg. Aber um dem Ganzen einen Sinn zu geben, muss er sich beschenken lassen. Selbst erlösen kann er sich nicht.

Wie anders klingen dagegen die Sätze aus dem gemeinsamen Wort des Bischofs und des Kirchenpräsidenten zu Ostern 2020 (siehe Kirchenbote aktuell): „Wir entzünden unsere Osterkerzen als sichtbares Zeichen für unseren Glauben an den auferstandenen Herrn. Wir setzen mitten in der Krise ein Zeichen, dass das Licht stärker ist als alles Dunkel und das Leben über den Tod triumphiert. Durch die verschlossenen Türen unserer Sorge und Angst tritt der Auferstandene mitten in unser Leben hinein und spricht: Habt keine Angst. Friede sei mit euch. Ich lebe, und ihr sollt auch leben.“

Hier wird deutlich, dass es vor und hinter dem weltweiten Schlamassel der aktuellen „Pest“, von den Besuchs- und Begegnungsverboten bis zum einsamen Sterben auf der Intensivstation, eine Zuversicht gibt, die alle selbstgenügsamen Erklärungsversuche von Anfang und Ende übersteigt.

Meistgelesene Leitartikel & Kommentare