Synode entscheidet für Dorothee Wüst

Sondersynode wählt 55-jährige Theologin im dritten Wahlgang – Leitungserfahrung in Gemeindearbeit

Gratulation in Corona-Zeiten: Synodalpräsident Hermann Lorenz überreicht Blumen, Matthias Schwarz hält die Szene fest. Foto: Landry

Zweimal Kirchenpräsident: Christian Schad und seine designierte Nachfolgerin, Oberkirchenrätin Dorothee Wüst. Foto: Landry

Gegen ein „Weiter so“ und für mehr Zukunftsfähigkeit in der Landeskirche hat sie plädiert: Bettina Wilhelm freut sich über das beeindruckende Wahlergebnis. Foto: Landry

Oberkirchenrätin Dorothee Wüst aus Kaiserslautern wird neue Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche der Pfalz. Bei einer Sondersynode in der Speyerer Stadthalle wurde die 55-jährige Bildungsdezernentin am vergangenen Wochenende mit 36 von 68 Stimmen im dritten Wahlgang als Nachfolgerin von Kirchenpräsident Christian Schad gewählt. Sie setzte sich gegen ihre beiden Mitbewerber, Oberkirchenrätin Marianne Wagner (58) und den pfälzischen Diakoniepfarrer Albrecht Bähr (59), durch. Bähr schied nach dem zweiten Wahlgang aus.

Erstmals wird mit Wüst eine Kirchenpräsidentin die pfälzische Landeskirche in den kommenden sieben Jahren repräsentieren. Die Wahl war notwendig geworden, weil Kirchenpräsident Schad, der auch der Union Evangelischer Kirchen (UEK) vorsteht, Ende Februar 2021 vorzeitig in den Ruhestand gehen will. Mit Dorothee Wüst entschieden sich die Synodalen für eine Praktikerin mit Leitungserfahrung in der Gemeindearbeit, die den Menschen auf Augenhöhe begegnen möchte. Wüst war Pfarrerin in Kaiserslautern und in Weilerbach sowie ab 2012 Dekanin in Kaiserslautern, bevor sie 2018 zur Oberkirchenrätin gewählt wurde. Sie ist verheiratet und hat eine Tochter.

Die Kirche brauche in ihrer Krise dringend Visionen für eine gute Zukunft, ermunterte Wüst in ihrer Vorstellungsrede vor der Synode. Nur mit Begeisterung und Gottvertrauen könne die Kirche einen Wandel gestalten und ihren Platz in der Gesellschaft bewahren. Als Kirchenpräsidentin setze sie auf einen kooperativen Führungsstil, der die Menschen mitnehme, kündigte Wüst an. „Wir denken nicht von oben, sondern von unten. Wir denken nicht für andere, sondern mit anderen“, umriss sie ihren „Traum von Kirche“, in der „alle an einem Strang ziehen“.

Die Kirche müsse theologisch fundierte Positionen haben, die sie in die Gesellschaft hineintrage, sagte Wüst. Kirche wolle „Räume für Verständigung“ bieten und für arme, schwache und vergessene Menschen eintreten. Im ökumenischen Miteinander mit anderen christlichen Kirchen gelte es, „weiter Grenzen zu verschieben, aber auch Unterschiede auszuhalten“. Die Digitalisierung sieht Wüst als Chance, die Stimme der Kirche besser in die Öffentlichkeit zu tragen. Paulus hätte sicher keine Briefe geschrieben, „wenn er E-Mails hätte schicken können“, sagte Wüst. epd

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Glückwünsche für Kirchenpräsidentin

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), der katholische Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, haben Dorothee Wüst zur Wahl als neuer Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche der Pfalz gratuliert.

„Ich freue mich sehr, dass die Hohe Synode zum ersten Mal in der mehr als 200-jährigen Geschichte der Protestantischen Landeskirche eine Frau an die Spitze gewählt hat“, teilte Dreyer in Mainz mit. Auch der Ratsvorsitzende der EKD, Bischof Heinrich Bedford-Strohm, gratulierte Dorothee Wüst zur Wahl. Er freue sich auf die Zusammenarbeit in der EKD. Bischof Karl-Heinz Wiesemann verband seine Glückwünsche mit dem Wunsch, die „guten Beziehungen zwischen Bistum und Landeskirche weiter zu vertiefen“. Er machte Vorschläge eines persönlichen Austauschs und gemeinsamer Sitzungen, ökumenischer Gottesdienste, neuer ökumenischer Initiativen sowie öffentlicher Stellungnahmen zu kirchlichen und gesellschaftspolitischen Themen.

Er sei „zutiefst überzeugt“, dass die Zukunft der Kirchen nur ökumenisch sein könne, schrieb Wiesemann. „Nur wenn wir durch unser gelebtes Miteinander sichtbar machen, dass unsere Verbundenheit im Glauben tiefer reicht als alle konfessionellen Unterschiede.“ Im Auftrag Jesu Christi müsse sich Kirche glaubwürdig und überzeugend mühen, die Abgrenzungen und Verurteilungen früherer Zeiten zu heilen und zur sichtbaren Einheit in versöhnter Vielfalt zu finden. Sie müsse gemeinsam eintreten für die Würde jedes Menschen, für ein friedliches und gerechtes Zusammenleben aller und für die Bewahrung des einen Lebenshauses. epd

Große Mehrheit für Bettina Wilhelm

Synode entscheidet im ersten Wahlgang – Mehr Mut bei dringlichen Veränderungsprozessen angemahnt

Bettina Wilhelm aus Kaiserslautern wird neue juristische Oberkirchenrätin der Evangelischen Kirche der Pfalz. Mit 48 von 67 Stimmen setzte sich die 53-jährige Juristin bei der Sondersynode in Speyer bereits im ersten Wahlgang gegen ihre drei Mitbewerber durch. Wilhelm ist juristische Referentin für vier Dezernate der Landeskirche in Speyer. Sie tritt die Nachfolge von Oberkirchenrat Dieter Lutz an, der zum Jahresende in den Ruhestand geht.

Bettina Wilhelm, die in Dortmund aufwuchs, ist seit 1995 in der pfälzischen Landeskirche tätig und wurde 2010 zur Beauftragten für das Thema sexualisierte Gewalt ernannt. Sie hat ein Kind und engagiert sich in ihrer Kirchengemeinde und als Vorstandsmitglied im Bauförderverein der protestantischen Stiftskirche Kaiserslautern. Bei der Wahl in der Speyerer Stadthalle bewarben sich auch die Juristinnen und Juristen Marco Hößlein (Bad Dürkheim), Peter Lässig (Remscheid) und Wiebke Wietschel (Bremen) um das Amt des Oberkirchenrats.

Wilhelm kündigte einen wertschätzenden Führungsstil an, der die Mitarbeiterschaft in der Kirchenverwaltung bei Problemlösungen einbinde. Die Kirche müsse dringend definieren, aus welchen Arbeitsbereichen sie sich zurückziehe und wo sie mit anderen Partnern kooperieren könne. Ein „Weiter so“ setze die Zukunftsfähigkeit der Landeskirche aufs Spiel. Wilhelm appellierte für mehr Mut, um bei den dringlichen Veränderungsprozessen in der Kirche auch schwierige Zukunftsentscheidungen zu treffen.

In ihrer neuen Funktion möchte Wilhelm die Verwaltungsprozesse stärker digitalisieren, um dem kirchlichen Auftrag bei weniger Personal und weniger Finanzmitteln gerecht zu werden. „Videokonferenzen können – hin und wieder eingesetzt – zu mehr Flexibilität und Stringenz führen, vielleicht sogar zu mehr Kommunikation“, sagte Wilhelm. Weitere Vorteile seien: Man spare Zeit und Reisekosten – „und nicht zuletzt Kohlendioxid“. Außerdem könne der Ausbau der Homeoffice-Möglichkeiten die Work-Life-Balance für die einzelne Person verbessern und manches Vereinbarkeitsproblem abmildern, betonte Wilhelm. Der juristische Oberkirchenrat ist als Dezernent für die Bereiche der allgemeinen Rechtssetzung, insbesondere für das Dienst- und Besoldungsrecht der Pfarrer und der Beamten der Landeskirche sowie für das kirchliche Arbeitsrecht zuständig. Oberkirchenräte werden auf die Dauer von sieben Jahren gewählt. Sie leiten ihre Dezernate im Landeskirchenrat, der obersten Behörde der Landeskirche. Den Vorsitz bis Ende Februar führt Kirchenpräsident Christian Schad. all

Schad: Die richtigen Lehren aus der Corona-Krise ziehen

Rede vom Strafgericht Gottes als würdelos bezeichnet – Gegen Lügen und Verschwörungstheorien – Kirche muss Anwalt der Schwachen sein

Kirchenpräsident Christian Schad hat dazu aufgerufen, die Lehren aus der Corona-Pandemie für ein besseres Miteinander in Kirche und Gesellschaft zu ziehen. Die Krise habe vielfach bei den Menschen „das Beste wachgerüttelt“, sagte Schad zum Auftakt einer Sondersynode in Speyer. Die in der Not gezeigte Solidarität und Empathie gelte es zu bewahren. Deutlich müsse sich die evangelische Kirche gegen Lügen von Rechtsextremen und Verschwörungstheoretikern aussprechen und ein Anwalt besonders für kranke, alte und hilfsbedürftige Menschen sein.

Schad rief dazu auf, sich von der Angst vor dem Virus nicht beherrschen zu lassen. Der Lockdown des gesellschaftlichen Lebens in den ersten Wochen der Pandemie sei richtig gewesen. Dies treffe auch für die Einschränkung der Religionsfreiheit zu. Diese habe dazu gedient, das Infektionsrisiko zu minimieren und das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Nicht aus Zwang habe die Kirche auf Präsenzgottesdienste verzichtet, sondern „aus Selbstbeschränkung um des Nächsten willen“.

Viele drängende Fragen wie die Klima- und Flüchtlingspolitik sowie die globale Verteilungsgerechtigkeit habe Corona in den Hintergrund gerückt, erinnerte Schad. Diese blieben weiter auf der Agenda. In der Krise sei aber eine Gewissheit aufgekeimt, dass man anders und rücksichtsvoller mit Blick auf die Mitmenschen und die Schöpfung leben könne. Mit Blick auf die humanitäre Situation in dem abgebrannten Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos forderte der Kirchenpräsident alle europäischen Staaten zu gemeinsamer schneller Hilfe auf.

Würdelos sei es, die Pandemie als ein Strafgericht Gottes theologisch deuten zu wollen, sagte Schad. Dadurch werde den Opfern zu ihrem Leid auch noch die Schuld zugeschoben. Haltlos seien zudem Vorwürfe, die Leitungen der großen christlichen Kirchen hätten in der Krise geschwiegen und die Pfarrerschaft habe ihren Dienst quittiert. Sehr früh hätten vielmehr evangelische und katholische Kirche gemeinsam Stellung bezogen und zu Gebeten aufgerufen. Gerade im Stillen sei die Kirche sehr präsent gewesen, etwa in der seelsorgerlichen Begleitung von Seniorenheimbewohnern, sagte Schad und dankte allen Helferinnen und Helfern in der Kirche. Unergründlich bleibe die Frage, warum Gott als Schöpfer der Welt das Virus und das dadurch verursachte Leid zulasse. Zuversicht könne die Hinwendung zu Jesus Christus geben.

In der Kirche habe die Pandemie auch als „Beschleuniger des innovativen Erprobens“ gewirkt, betonte der Kirchenpräsident. Die Digitalisierung habe mit neuen liturgischen Formen wie Online-Gottesdiensten einen Schub erfahren. Schad nannte das Evangelium existenzrelevant für Kirche und Gesellschaft. Die gegenwärtigen Transformationsprozesse in der Kirche seien eine geistliche Herausforderung. all

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