Obfrau in Sachen Kirchenmusik

Heike Messerschmitt ist seit 2013 Vorsitzende des Landesverbands für Kirchenmusik in der Landeskirche

Kann sich ein Leben ohne Musik nicht vorstellen: Pfarrerin und Landesverbands-Obfrau Heike Messerschmitt. Fotos: Iversen

Privileg: Die Mitarbeit an der Revision des evangelischen Gesangbuchs.

Das Amt sei ihr ganz unerwartet angetragen worden, erinnert sich Pfarrerin Heike Messerschmitt. Sie trug damals, 2013, noch ihren Mädchennamen Heike Neu. Der Vorsitz des Landesverbands für Kirchenmusik ist ein Ehrenamt. Er ist der Dachverband aller in der Landeskirche engagierten haupt- und nebenamtlich mit Kirchenmusik Befassten; von der Bezirkskantorin bis zum Chorsänger XY im winzigsten Dorfkirchenchor. Somit ist er eng verzahnt mit dem Amt für Kirchenmusik im Speyerer Landeskirchenrat.

Als Landeskirchenmusikdirektor Jochen Steuerwald am Rande einer Aufführung von Brittens „War Requiem“ in Landau, bei dem sie damals als Mitglied der Evangelischen Jugendkantorei der Pfalz mitwirkte, an sie herangetreten sei, habe sie erst einmal gezögert. „Mir ging es wie wohl den meisten Außenstehenden. Außer der Tatsache, dass es ihn gibt, war mir kaum etwas über den Landesverband geläufig.“

Auch ihre Vorgänger waren musikaffine Theologen; der im April dieses Jahres verstorbene Pfarrer Albrecht Roth beispielsweise. Danach war es Mathias Helms, der 2013 in eine andere Landeskirche wechselte. Aber mit der jungen aus Annweiler stammenden Vikarin sollte erstmals eine Frau an die Spitze der Institution rücken, „auch ein Faktum, das mich durchaus reizte“.

Das Gremium pflegt nicht nur über seine Obleute die Kontakte zu Chören und Ensembles, sondern ist auch Herausgeber der jährlichen Chorhefte, richtet die Singwochen Gosau und den Landeskirchenmusiktag aus, federt Fortbildungen ab und betreibt Nachwuchsförderung mit Förderpreisen.

Sie habe sich rasch und mit zunehmender Begeisterung eingearbeitet, sagt Heike Messerschmitt heute. Stolz sei sie auch, gleich ein wertvolles Stück Öffentlichkeitsarbeit mit auf den Weg gebracht zu haben – die verbandseigene Homepage als Informationsquelle zu Aufgaben und aktuellen Aktivitäten der Institution. Nicht minder reizvoll wertet sie eine andere Pflicht, die ihr Amt ihr sozusagen in den Schoß gelegt hat: Gemeinsam mit Jochen Steuerwald und Kolleginnen und Kollegen der benachbarten Landeskirchen in Hessen, dem Rheinland und Elsass ist sie Mitglied der Planungskommission in der EKD für das neue Gesangbuch. Ein Prozess, der 2019 begonnen und über die nächsten acht bis zehn Jahre in eine Gesangbuch-Neuausgabe münden soll. Pflicht? Nein, doch mehr Privileg, merkt sie an.

Musikerin und Theologin – die Kombination wäre ganz im Sinne Martin Luthers. Die Zeit im Kinderchor in Annweiler „war sozusagen meine Sozialisation, mein Erweckungserlebnis; ich hab’ das einfach geliebt, wollte immer nur singen und singen“. Von den Eltern hatten sie und ihr um ein Jahr jüngerer Bruder – er ist heute Toningenieur – stets Förderung erfahren, ohne Druck. Flöte habe sie gespielt, viel zu spät mit dem Klavier begonnen, „aber ich hatte ja meine Stimme“. Und so war es keine Frage, dass Heike, damals Schülerin am Evangelischen Trifels-Gymnasium, ihre Fühler ausstreckte und bei der Evangelischen Jugendkantorei andockte.

Früh schon war auch klar für sie, dass sie Theologie studieren würde. Im evangelischen Glauben war sie aufgewachsen und fest verankert. Mainz und Marburg waren die Uni-Stationen, das Vikariat führte sie ab Sommer 2004 an die Apostelkirche Kaiserslautern, wo Peter Annweiler, der heutige Leiter der Telefonseelsorge, als ihr Mentor fungierte. 2006 startete sie ihre Laufbahn als Pfarrerin an der Lutherkirche in Kaiserslautern, wechselte schließlich im Frühjahr 2010 nach Bellheim.

Dort wurde Heike Messerschmitt nach zehneinhalb „wirklich erfüllten Jahren“ am ersten Adventssonntag feierlich verabschiedet. In einem Akt ökumenischer Solidarität. Da ihr eigenes Gotteshaus angesichts der Corona-Messzahlen wesentlich weniger Gemeindemitgliedern Platz geboten hätte, stellte der katholische Amtsbruder ohne Zögern seine größere Kirche zur Verfügung. Das wirft ein Licht auf Bellheim und die sprichwörtliche „Gemeinschaft der Heiligen“ dort. „Wir haben wunderbar harmoniert, und mit meiner Gemeinde war ich rundum glücklich, habe mit allen haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden eng und gerne zusammengearbeitet“, bekennt die Seelsorgerin.

Künftig wird die Seelsorgerin, die seit 2017 mit Volker Messerschmitt verheiratet ist, ihren Dienst an der Pfarrstelle 1 der Stiftskirchengemeinde Landau-Mitte beginnen, „eine Aufgabe, die ich voller Respekt und Offenheit antrete. Aber die in meinen Augen keineswegs als Karrieresprung zu werten ist. Dazu war Bellheim, waren seine Menschen und die Zeit, die ich mit ihnen verbringen durfte, zu kostbar.“

Der Landesverband wird weiterhin ihr geliebtes Hobby bleiben; Heike Messerschmitt wird Sitzungen leiten, bei D- und C-Prüfungen mitvotieren und die Öffentlichkeitsarbeit lebendig halten. Und sie wird ihren schönen, glasklaren Sopran vielfach solistisch zu Gehör bringen, wie 2019 anlässlich des Musikfests Landau mit der wunderbar gestalteten Bach’schen „Kaffee-Kantate“. Im Chor der Landauer Kantorei singt sie sowieso seit vielen Jahren. Theologie mit Tausenden Tönen. Gertie Pohlit

Erinnerungen aus der Kindheit

„Klänge, Tönendes, Melodien – das hat mich von klein auf fasziniert, neugierig gemacht, auch getröstet, wenn die scheue Kinderseele sich mal ängstigte“, erzählt Heike Messerschmitt.

Im Kleinkindalter sei sie einmal länger krank gewesen, es habe viele Arztbesuche gegeben, die Nachsorge sich langwierig gedehnt. „Und jedesmal hatte ich trotz der liebevollen Fürsorge der Eltern Angst, heulte los, wenn der Kinderarzt mich wieder auf seinen Behandlungstisch verfügte. Aber einmal, das erzählt meine Mutter, betätigte er eine Spieluhr mit einem glockigen Kinderlied. Und augenblicklich habe ich aufgehört zu weinen und nur noch gelauscht. Ab da war alles gut.“

Es ist dieses Kindheitserlebnis, das vielleicht in die Zukunft der jungen Pfälzerin weist, die neben der großen Erfahrung theologischen Selbstverständnisses auch den musikalischen Pfad fest im Plan hatte. Ein Leben ohne Musik – schlichtweg unvorstellbar. Messerschmitt musiziert mit dem ureigenst menschlichen, einzigen objektlosen, stets verfügbaren Instrument: der Stimme, ihrem persönlichen Ausdrucksmedium. Und auch das sagt sie: „Wie sehr das Singen unsere Seelen umschmeichelt, die Verkrampfungen des Alltags löst, uns einfach zu uns selbst kommen lässt, merken wir gerade jetzt. Wo wir es, zumindest gemeinsam, nicht dürfen.“ gpo

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