Endlich aus der Warteschleife rauskommen

Landesjugendpfarramt macht sich Sorgen um onlinemüde Jugendliche – Alternativen zu abgesagten Freizeiten für Sommermonate gesucht

Bringt mit Onlinerollenspielen die Jugendlichen am Bildschirm zusammen: Jugendreferentin Kathrin Füßer. Foto: KB

Viermal schon hat sich Kathrin Füßer von der Jugendzentrale Neustadt mit Jugendlichen aus dem Lambrechter Tal zum Rollenspiel getroffen. Nicht live, sondern am Bildschirm. Die Idee hatte die Jugendreferentin spontan, die jugendlichen Ehrenamtlichen waren sofort begeistert, auch der Lambrechter Pfarrer Martin Groß schlüpfte bereits in verschiedene Rollen. „Raus aus dem Alltag, mal wer anderes sein“, sagt sie über die Motivation der Jugendlichen, sich zwei bis drei Stunden auf den Onlinekrimi zu konzentrieren.

Während der vergangenen Wochen sind in Kirchengemeinden und übergemeindlichen Diensten viele Formate für Jugendliche entstanden, die alle ein Ziel haben: Ihnen Abwechslung bieten und zeigen, dass die Kirche sie nicht im Stich lässt. Das sagt nicht nur Kathrin Füßer, sondern auch die Kaiserslauterer Jugendreferentin Kira Zinßmeister. Über einen speziellen Server können sich Jugendliche hier täglich in Chaträumen austauschen, dazu kommt eine wöchentliche Zoom-Konferenz, die um 20 Uhr beginnt und teilweise auch schon mal bis nach Mitternacht dauert.

„Ich habe engeren Kontakt zu den Jugendlichen als vor Corona“, sagt Zinßmeister, die sie sonst wöchentlich zum offenen Treff und bei der monatlichen Mitarbeiterschulung trifft. Anfangs schalteten sich täglich zwischen zehn und 20 Jugendliche ein, „mittlerweile ist das etwas abgeflacht“. Dafür ist zuletzt das Interesse am Instagram-Account gestiegen, wo Zinßmeister inhaltliche Inputs setzt – mit einem Filmquiz oder der Frage nach dem Lieblings-Corona-Snack. Auf diesem Kanal läuft an Pfingsten auch ein Videogottesdienst mit Beiträgen der Jugendlichen.

Dennoch: Glücklich über die Situation seien die wenigsten, berichtet Zinßmeister. Nach anfänglicher Begeisterung einiger über die unverhofften Corona-Ferien „harren jetzt die meisten Jugendlichen der Dinge“. Manche schimpften auf die Schule, wo es komplizierte Hygieneregeln gebe, aber inhaltlich zu wenig passiere. „Einige haben Sorgen um Noten und Abschlüsse.“

„Jugendliche müssen raus aus der Warteschleife“, erklärt Mike Corsa, Generalsekretär der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland, und fordert von der Politik Vorgaben, um schrittweise wieder Angebote der Kinder- und Jugendarbeit zuzulassen. Das Leitungsgremium der EJP, die Evangelische Landesjugendvertretung der Pfalz, sieht das genauso. Sie forderte jüngst die Landesregierung in einem Schreiben auf, zusätzlich zu Öffnungen von Schulen und anderen Bereichen Voraussetzungen zu schaffen, unter denen Jugendverbände ihre Begegnungen schrittweise wieder aufnehmen können.

„Die Jugendlichen sind bereits sehr onlinemüde“, sagt Landesjugendpfarrer Florian Geith. Zwar schätzten sie die vielen digitalen Möglichkeiten, die gerade die Jugendzentralstellen für sie entwickelt hätten, sehnten sich aber immer mehr nach analogen Begegnungsmöglichkeiten. Inzwischen richtet sich der Blick auf die Sommerferien. Sollten dann weiterhin Kontaktsperren bestehen, werde dies mit Blick auf die Belastung von Kindern und Jugendlichen „mehr als grenzwertig“, heißt es in einem Schreiben des Landesjugendpfarramts. Oberstes Ziel ist derzeit, Alternativen zu abgesagten Sommerfreizeiten zu entwickeln. Die Aussichten auf erste Grenzöffnungen machen Hoffnung.

Für Kira Zinßmeister ist die trügerisch. „Es wäre schade, etwas zu planen und wieder in die Tonne zu treten.“ Noch hat sie ein vor Corona gebuchtes Gästehaus in der Eiffel nicht abgesagt. Aber sie fragt sich: Kann und will man das durchziehen, sechs Stunden mit Maske im Zug, mit der Desinfektion von Waschräumen und Abstandhalten in Mehrbettzimmern? Kathrin Füßer träumt sich in die Zukunft: „Wir haben mit den Onlinekrimis schon jetzt ein bleibendes Erlebnis geschaffen. Und irgendwann blicken wir alle zurück und sagen: ,Wisst ihr noch, damals, das war ein Highlight.‘“ Florian Riesterer

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