Auf der schwierigen Suche nach Konzept und Konsens

Bei Projekt des Orgelneubaus in der Dreifaltigkeitskirche Speyer ziehen Kirchengemeinde und Amt für Kirchenmusik nicht an einem Strang

Heuler und Aussetzer: Presbyterium und Pfarrerin wünschen sich eine elektronische Orgel als Zwischenlösung. Foto: Landry

Passenderweise am Sonntag „Cantate“, 10. Mai, hatte die Orgel der Dreifaltigkeitskirche in Speyer ihren letzten Auftritt im Gottesdienst. Bereits vor zehn Jahren hatten Experten dem soliden, aber durch Eingriffe in der Nachkriegszeit gnadenlos verunstalteten Steinmeyer-Instrument absolute „Reparaturresistenz“ attestiert. Es war klar: Hinter dem opulenten barocken Darthan-Prospekt musste neues Orgel-Leben entstehen.

Jetzt, nach der Dekade baulicher Restaurierung und Reformationsjubiläum, ist das Orgel-Desaster als gewaltiger Appendix übrig geblieben. Neue Brandschutzbestimmungen haben noch eins draufgesetzt. Auf Rat des Musikwissenschaftlers Michael Gerhard Kaufmann, den Pfarrerin Christine Gölzer nicht zuletzt wegen seiner wertvollen Kontakte zu Förderinstitutionen hinzugezogen hatte, wurde die Orgel stillgelegt.

Gero Kaleschke wiederum, Orgelbaubeauftragter der Landeskirche, der letztlich auch seinen dienstaufsichtlichen Segen geben muss, hätte nach Prüfung durch einen Orgelelektroniker eine unkomplizierte Nachrüstung am neuralgischen Punkt der Elektrik vorgezogen: Kostenpunkt rund 5000 Euro. Pfarrerin und Presbyterium indes präferieren die Anschaffung einer elektronischen Orgel als Zwischenlösung, die vermutlich kostenintensiver ist. „Die Heuler und Aussetzer wären ja durch die Brandschutzmaßnahmen nicht behoben“, so Gölzer.

Aber auch sonst gehe die Kirchengemeinde ihren sehr eigenen Weg, so die vorsichtige Formulierung seitens der Fachleute im Amt für Kirchenmusik. Von der „Orgelverabschiedung“ habe er erst durch die Anfragen der Presse erfahren, so Landeskirchenmusikdirektor Jochen Steuerwald. Dass man – nachdem nun offenbar doch Konsens herrscht hinsichtlich einer barocken Ausrichtung des Instruments – mit der Erstellung einer Dispositionsvorgabe als Grundlage der Ausschreibung eine externe Person beauftragt habe, wird als befremdlich empfunden.

Jochen Steuerwald räumt ein, dass „sich die Gemeinde natürlich von jeder ihr sinnvoll erscheinenden Seite Expertise einholen darf“. Allerdings müssten Voten von unterschiedlichen Menschen mit unterschiedlichen Kompetenzen und Erfahrungshorizonten in Orgelbauprojekten auch angemessen objektiv unterschiedlich eingeordnet und gewichtet werden. Bislang, so sein Eindruck, verfestigten sich dabei eher subjektive und emotionale Gewichtungen. Drei Orgelbaufirmen von Renommee sollen – möglichst noch in diesem Jahr – um Kostenvoranschläge angeschrieben werden. Schuke (Potsdam), Rowan West (Ahrweiler) und Mathis (Schweiz).

Christine Gölzer betont, wie sehr ihr an Konsens und Übereinkunft mit dem Amt für Kirchenmusik gelegen sei. Bislang sei ihre größte Sorge das gewaltige Finanzierungspaket von geschätzt 1,2 Millionen Euro. 200000 Euro etwa seien angespart; nachdem die Anträge an die Denkmalstiftung abschlägig beschieden wurden – ebenso wie die Stiftung Orgelklang fördert sie keine Neubauten – müsse man das Fundraising-Konzept neu in Gang setzen. Für die Restaurierung des Prospekts, nach Schätzung von Gero Kaleschke allein ein Posten von rund 250000 Euro, könne man auf Mittel aus der Denkmalpflege hoffen. Der Prospekt sei wie die ganze Orgel in einem desolaten und auch statisch bedenklichen Zustand.

Michael Gerhard Kaufmann indes rät dringend, zu einem schlüssigen Konzept zu kommen. „Darum sollten sich ausschließlich Experten kümmern – Kaleschke, Steuerwald, vielleicht ein, zwei von ihnen hinzugezogene Externe.“ Es sei die einmalige Chance, in der Orgellandschaft ein barockes Gesamtkunstwerk von Sakralbau, ästhetischer Gestaltung und Klang zu etablieren. Man müsse mit Kompetenz und klarer Linie klotzen. „Dann erschließen sich finanzielle Quellen wie von selbst.“ gpo

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