Wollen Sie mal reinschnuppern? Zu Gast bei einer Godly Play–Einheit mit Vorschulkindern

Eine Möglichkeit, sich biblischen Geschichten zu nähern, ist die Methode Godly Play.
Eine Möglichkeit, sich biblischen Geschichten zu nähern, ist die Methode Godly Play.
Ruth Magsig, Gemeindediakonin beim Missionarisch-Ökumenischen Dienst Landau.
Ruth Magsig, Gemeindediakonin beim Missionarisch-Ökumenischen Dienst Landau.

von Ruth Magsig, Gemeindediakonin beim Missionarisch Ökumenischen Dienst Landau

„Die Schachtel ist golden“, sagt die Erzählerin und betrachtet dabei selbst staunend, was sie da den Kindern im Kreis präsentiert. „ Es könnte etwas darin sein, was so wertvoll ist wie Gold. Es könnte ein Gleichnis darin sein. Manche Menschen sagen, Gleichnisse sind noch viel wertvoller als Gold“. Ein Geschenk könnte die Schachtel sein, alt sieht sie aus und verschlossen ist sie. Die Erzählerin baut, darüber sinnierend, Spannung auf. „ Dann mach doch mal auf!“ ruft ein Kind ungeduldig neugierig dazwischen. Ja, genau, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, um nachzusehen, ob sich in dieser Schachtel tatsächlich ein Gleichnis verbirgt.

Ein großes, gelbes Filztuch holt sie heraus, drapiert es mal so und mal so auf dem Boden im Kreis der Kinder. Und die, die schon ein wenig Erfahrung haben mit „GodlyPlay“ ,legen los, bevor die Erzählerin nachfragt, was das denn wohl jeweils sein könne…“ ein Zwergenhut“, „Mangoeis“ , „ein Zitronenbonbon“ – die Kinder wissen, jetzt können sie ihre Phantasie spielen lassen. Und auch einmal etwas wagen: „So ein Eiterbläschen im Mund.“ Alle lachen. Das macht das Gehirn locker und schafft die offene Atmosphäre, die wir brauchen, um das Gleichnis in seinen vielen Dimension zu ergründen.

Jetzt gibt es in der goldenen Schachtel nichts mehr, um das Gleichnis vorzubereiten. „ Seid ihr bereit?“ , fragt die Erzählerin und holt sich freundlich Zustimmung von jedem Einzelnen. „ Da war mal einer, der sagte so erstaunliche Sachen und tat so wunderbare Dinge, dass die Menschen ihm folgten.“ Ein paar Mal streicht die Erzählerin mit ihrer Hand dabei über den Filz. Ihre ganze Aufmerksamkeit gehört nun der Geschichte, die sich mit Hilfe von weiteren Materialien und wenigen, wohl komponierten Worten im Kreis entfalten wird. Die Erzählerin hat sich dieses Zusammenwirken von Spiel und Wort mithilfe eines klar durchdachten Skriptes angeeignet.

Auf der gelben Unterlage entsteht ein großer Baum, weil ein Mensch einen winzig kleinen Samen in die Erde legt, Vögel fliegen herbei, bauen ihre Nester in die Zweige – eine Geschichte, ein Gleichnis, um sich der Frage aller Fragen zu nähern: „Was ist das für ein Reich, das Reich der Himmel, das Himmelreich?“. Die Kinder sind dem Geschehen auf ganz unterschiedliche Weise gefolgt: manche, ganz fasziniert, mit kleinen Kommentaren. „Das sind aber viele Vögel.“Jetzt kommt noch einer.“ Andere sind still und konzentriert, einige sind unmerklich auf dem Sitzkissen weiter nach vorne gerutscht, um der Geschichte noch näher zu sein.

Jetzt taucht die Erzählerin aus der Erzählung auf. Damit gibt sie auch den Kindern das Signal, aus ihrer persönlichen Vertiefung wieder in der Gruppe anzukommen. Das gemeinsame „Sich wundern und sich fragen“ beginnt: Ob der pflanzende Mensch wohl einen Namen hat? „Opa Walter“, sagt Sandra. „Das bin nämlich ich!“ „Ich hab den Samen aber zuerst in so ein Töpfchen gepflanzt…“ Ob sich der Mensch über die Vögel gefreut hat? „Ja, das ist doch lustig, wenn die alle zwitschern!“ „Nein, die kacken alles voll und fressen die Früchte weg!“

Jetzt werden Argumente ausgetauscht, Erwägungen angestellt. Zuhören ist wichtig, nicht das Rechthabenwollen. Aushalten, dass die Erzählerin jeden Beitrag schätzt. Staunen, darüber, wie ein anderer die Dinge sieht. Die Kinder theologisieren. Unbefangen, spielerisch und engagiert erschließen sie damit einander und der Erzählerin Erkenntnisse über das „Himmelreich“ Etwas davon kann im eigenen Garten zu finden sein; man muss aushalten, dass einen andere „Mitbewohner“ nerven; was entsteht, kann sehr überraschen.

Die Erzählerin vertraut darauf, dass jedem Kind heute das geschenkt wird, was es zu seiner geistlichen Entwicklung braucht. Ihre eigenen Gedanken und Deutungen behält sie für sich. Aber eine Sache interessiert sie wirklich noch: Ob der kleine Samen sich gefreut hat, dass er so groß geworden ist? Zehn Kinder nicken und rufen im Chor: „ Ja klar“. Ein Mädchen meldet sich: „Nein“, sagt sie. „Wachsen tut weh“. Nachdenkliche Stille – ein fast heiliger Moment, wenn sich Alltag, persönliche Erfahrung und Spiritualität so verbinden. Das spüren auch die Kinder.

Das ist ein guter Zeitpunkt, die nächste Phase zu eröffnen. „Womit willst du dich heute beschäftigen?“ Jeder kann nun für sich selbst noch einmal einen Ausdruck finden für das, was diese Geschichte innerlich in Bewegung gesetzt hat. Kreativ- und Legematerialien stehen bereit Jedes Kind wählt, was es heute nutzen will. Zwei möchten sich mit der Geschichte in der goldenen Schachtel beschäftigen. Wichtig ist das Tun, der Prozess, nicht das Produkt oder Ergebnis. Die Kinder schätzen diesen bewertungsfreien Raum, der ihnen erlaubt, sich selbst nachzuspüren. Die Klangschale ruft sie danach alle wieder in den Kreis zurück, zum „kleinen Fest“. Ein Keks oder Apfelschnitz für jeden, etwas zu trinken, beten oder singen, lachen, erzählen und dann mit einem Segen voneinander Abschied nehmen.

Für Ihre Praxis:

Mehr zum Konzept von Godly Play/Gott im Spiel - unter anderem einen sehr anschaulichen Kurzfilm - finden Sie unter www.godlyplay.de

Die ausgearbeiteten Erzählskripte sind abgedruckt in den Büchern der Godly Play/Gott im Spiel –Reihe, erschienen im Calwer Verlag und bei der Leipziger Verlagsanstalt. Es gibt dort zu jeder Geschichte eine theologische und pädagogische Einführung und die Beschreibung des zugehörigen Spielmaterials. Das Skript enthält die ausformulierte Erzählung und parallel dazu die darauf abgestimmte Spielanleitung. Glaubensgeschichten aus dem Ersten Testament, Gleichnisse, Jesusgeschichten und sogenannte Liturgische Geschichten, beispielsweise zum Advent, Taufe, Abendmahl, liegen vor.

Erzählskripte und Materialien zu den einzelnen Geschichten können Sie sich ausleihen oder gegebenenfalls schicken lassen von den Religionspädagogischen Zentren in Kirchheimbolanden und Kusel sowie beim Missionarisch Ökumenischen Dienst in Landau. Dort werden Sie auch beraten und begleitet. www.rpz-kirchheimbolanden.de; www.rpz-kusel.de; www.moed-pfalz.de

Es empfiehlt sich, eine Godly Play-Einheit zu erleben, bevor man es selbst versucht. Die obengenannten Stellen können Kontakte vermitteln. Auch ein Besuch in ihrem Kindergottesdienst-Team ist möglich. Uwe Schutte (Kirchheimbolanden), Brigitte Beil (Kusel) und Ruth Magsig (Landau) sind gerne Ansprechpartner.

Aus- und Fortbildungen sowie regelmäßige Treffen von „Praktikern“ organisiert die GodlyPlay Regionalgruppe Pfalz. .Ein Einführungstag in das Konzept findet statt am 2. Februar 2019 im Religionspädagogischen Zentrum Kirchheimbolanden, eine Erzähler-Ausbildung vom 31.10. bis 2.11.2019 (Voraussetzung: Besuch des Einführungstages).