Zu hören sind die Hetzer und Krakeeler

von Wolfgang Weissgerber

Wolfgang Weissgerber

Fünf monströse Untaten in weniger als zwei Monaten haben Deutschland erschüttert. Sie dienen als Argumente in einem gesellschaftlichen Konflikt über Asyl und Zuwanderung. Man könnte meinen, dieses Land sei zutiefst gespalten. Ist es das wirklich?

Fakten werden nach Belieben verdreht oder ignoriert. „Einer, der hier aufgenommen und von uns versorgt wurde“, schreibt die AfD-nahe Online-Postille „Deutschland-Kurier“ über den Bahnhofsmörder von Frankfurt. Dass der Eritreer seit Jahren in der Schweiz lebte und einer geregelten Arbeit nachging – egal. Sonst hätte die grausige Tat nicht ins krude Weltbild der rechten Partei gepasst. Bei einem ähnlichen Fall Mitte Juli im nordrhein-westfälischen Voerde reagierte die AfD hingegen auffällig zurückhaltend. Wer weiß, womöglich spielte dabei mit, dass der Mann, der eine junge Mutter vor den Zug stieß, aus Serbien stammt, das mit Russland verbündet ist, dessen rigide Ordnungspolitik wiederum der AfD gut gefällt.

Auf solche Sympathien brauchen Afrikaner nicht zu hoffen. „Erst die Domplatte in Köln Silvester 2015/2016, dann öffentliche Schwimmbäder und jetzt auch noch Bahnhöfe“, klagt der hessische AfD-Landtagsabgeordnete Klaus Herrmann über Ängste im öffentlichen Raum. Die gedankliche Verbindung von sexuellen Übergriffen junger Männer aus Nordafrika zu einem psychisch kranken Eritreer schafft aber nur, wer einer bestimmten Gruppe – Menschen mit dunkler Haut – per se negative Eigenschaften zuschreibt. Das nennt man Rassismus. Im „Deutschland-Kurier“ ist somit auch nicht von Ausländern oder Asylbewerbern die Rede, sondern von „Mig­ran­ten­hor­den“.

Solch dumpfe Propaganda fällt auf fruchtbaren Boden. Die Tat des durchgeknallten Sportschützen, der Mitte Juli in Wächtersbach einen Eritreer allein wegen dessen dunkler Hautfarbe niederschoss, und der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke waren auch das Ergebnis eines vergifteten Klimas. Die Linken und die Grünen und die Altparteien überhaupt und die Kanzlerin sind demnach schuld daran, dass Deutschland von Fremden überrannt wird, und diese Fremden sind allesamt kriminell.

Im Internet und in sozialen Medien kursieren Hassbotschaften, rabiat und hemmungslos. Die digitale Revolution hat Meinungen hoffähig gemacht, die zuvor lediglich im stillen Kämmerlein zu vernehmen waren. Selbstbestätigung in „Echo-Kammern“, wie Medienwissenschaftler sagen, vermitteln Menschen, die vorwiegend mit Gleichgesinnten kommunizieren, das irrige Gefühl, sie drückten aus, was alle denken. Thesen wie „Deutschland schafft sich ab“, die Regierung betreibe „Bevölkerungsaustausch“ und ähnlicher Quatsch wie die Mär von Gratis-Handys für Asylbewerber vernebeln manches Hirn. Die Mehrheit fällt darauf zwar nicht herein. Aber diese Mehrheit schweigt, überlässt das Feld den Hetzern und Krakeelern.

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