Wählen hilft gegen die Kritiker Europas

von Wolfgang Weissgerber

Wolfgang Weissgerber

Flagge der Europäischen Union.

Vom 24. bis 26. Mai wählen die Europäer ein neues Parlament, und womöglich wählen die Briten noch einmal mit. Dabei wollten sie am Wahlwochenende schon seit zwei Monaten aus der Europäischen Union ausgetreten sein. Das ist Ausdruck peinlichsten Politikversagens in London.

Auch anderswo versagen Politikerinnen und Politiker. Was zum Beispiel hat die Spitzenkandidatin der FDP zur Europawahl geritten, ihre schützende Hand über Viktor Orban zu halten, dem inzwischen sogar seine verbündeten europäischen Konservativen die kalte Schulter zeigen? Unmittelbar vor dem Parteitag versuchte Nicola Beer, da noch Generalsekretärin, einen Antrag zu entschärfen, der mit der restriktiven Medien- und Ausländerpolitik des ungarischen Regierungschefs ins Gericht ging. Das passt gar nicht zum Image des jugendlichen, der Zukunft zugewandten Aushängeschilds der vor Kurzem noch so siechen Liberalen. Womöglich spielen Geschäftsbeziehungen ihres Ehemanns Jürgen ­Illing zu Ungarn eine Rolle.

In vielen ihrer Mitgliedsländer ist die Stimmung gegen die Europäische Union. Ungarn ist da nur das krasseste Beispiel, auch Polen, Tschechien und die Slowakei haben mit europäischer Solidarität nicht viel im Sinn. Italien, Mitbegründer der EU und einer ihrer ersten sechs Mitgliedsstaaten, opponiert unter seiner Populistenregierung offen „gegen Brüssel“. Die britischen EU-Gegner haben für den Fall, dass sie erneut ins Straßburger Parlament einziehen müssten, schon angedroht, sie wollten die Union dann von innen heraus zerlegen. Aber auch im EU-Musterland Deutschland schickt sich eine rechte Partei an, mit einem zweistelligen Wahlergebnis Abgeordnete zu entsenden, denen mindestens das Etikett „europakritisch“ anhaftet.

Dabei müsste man diese Europäische Union, so es sie nicht gäbe, sofort erfinden. Nach Jahrhunderten voller Kriege und „Erbfeindschaften“ hat sie dem Kontinent eine mehr als 60-jährige Phase des Friedens beschert, gepaart mit wachsendem Wohlstand für immer mehr – aber noch immer nicht genug – Menschen in mittlerweile 28 Mitgliedsländern. Weitere Beitrittskandidaten stehen Schlange und wünschen sich sehnlichst die Aufnahme.

Neueste Umfragen haben ergeben, dass sich gegenwärtig vor allem Europagegner zur Teilnahme an der Wahl mobilisieren lassen. Gerade deshalb sollte jeder EU-Bürger und jede EU-Bürgerin, dem und der etwas am friedlichen, prosperierenden Miteinander der europäischen Staatengemeinschaft liegt, sich aufraffen und zur Wahl gehen. Das böse Erwachen nach der Brexit-Abstimmung und der Wahl von Donald Trump war vor allem denjenigen zu verdanken, die es sich im sicheren Glauben an eine Mehrheit der Vernunft daheim bequem gemacht hatten. Wer also bei der Europawahl daheim bleibt, darf sich über die äußerst unbequemen Folgen nicht wundern. Deshalb: Wählen gehen!

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