Theologie ist stärker gefragt als Ökonomie

von Klaus Koch

Klaus Koch

Es gehört zum Grundbestand protestantischer Überzeugungen, dass der Mensch nicht nach seinem ökonomischen Nutzen bewertet werden darf. Und es wird sich in nahezu jeder evangelischen Synode eine Mehrheit dafür finden, die herrschende Wirtschaftsordnung für Ungerechtigkeit und die Gefährdung der Schöpfung verantwortlich zu machen. Doch diese Skepsis gegenüber der Logik des freien Marktes und der Menschenfreundlichkeit ökonomischer Regeln endet, wenn sich die Kirche als Organisation reformieren will. Angesichts des Mitgliederschwunds und der drohenden Finanzkrise beschäftigt die Kirche seit Jahren Unternehmensberater und Organisationsentwickler. Die Wirtschaftswissenschaften sind zur ersten Hilfswissenschaft, gelegentlich sogar zur gleichwertigen Partnerwissenschaft der Theologie aufgestiegen.

Die Kirche macht dies jedoch nicht, weil sie sich von den Wirtschaftswissenschaften entscheidende Impulse für die Theologie erhofft. Schließlich kann sie sich nicht wie ein Unter­nehmen verhalten, das sein Angebot ändert, wenn die Nachfrage nachlässt. Nein, die Kirche sucht schlicht Halt. Der Bedeutungsverlust scheint unaufhaltsam. Da scheint die Flucht in ­Fakten, Zahlen und harte wirtschaftliche Logik die letzte Chance zu sein, wenigstens etwas Stabilität zu erlangen. In der pfälzischen Landeskirche hat das dazu geführt, dass seit 17 Jahren das Rechenmodell eines Infor­matikprofessors darüber entscheidet, wie viele Pfarrer in einem Kirchen­bezirk Dienst tun.

Unternehmen denken schon seit einiger Zeit kritisch über den Nutzen zuvor als wegweisend erachteter Managementkonzepte nach. Da die Kirche mit diesen Konzepten später begonnen hat als Firmen und Konzerne, setzt diese Skepsis später ein. Aber sie setzt ein, wie der Beschluss der Bezirkssynode Bad Dürkheim-Grünstadt zum Oetzmann-Verfahren zur Reduktion der Pfarrstellen zeigt.

Nun ist die Suche nach der perfekten Struktur für eine Organisation so alt, wie Organisationen selbst es sind. Und es ist wohlfeil, Instrumente zur Optimierung einer Organisation abzulehnen, ohne bessere Vorschläge zu unterbreiten. Doch die größte Gefahr für eine Organisation ist, wenn ihre Mitglieder und Mitarbeiter nicht mehr von ihrem Sinn und ihrer Überlebensfähigkeit überzeugt sind. Deshalb müssen die Verantwortlichen in der Kirche aufmerksam zur Kenntnis nehmen, dass die Zahl derer, die glauben, mithilfe der Ökonomie könnte das Überleben der Kirche gesichert werden, sinkt. Deshalb wird es für die Zukunft wichtig sein, nicht nur Reformen anzustoßen und Strukturen zu verändern. Vielmehr wird es nötig sein zu erkennen, wo Veränderungen Grenzen haben, weil sie den Auftrag und den Sinn der ganzen Organisation gefährden würden. Und für diese Grenzziehung sind in der Kirche weder Ökonomen noch Informatiker zuständig, sondern ganz alleine Theologen.

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