Schwarze werden weiterhin unterdrückt

von Wolfgang Weissgerber

Wolfgang Weissgerber

Die Leidensgeschichte der Afroamerikaner in den USA geht weiter. Auch die erste Präsidentschaft eines Schwarzen, Barack Obama von 2009 bis 2017, hat daran nichts geändert. Der schreckliche Tod von George Floyd Ende Mai in Minneapolis ist ein weiterer trauriger Höhepunkt. Gewalt gegen Schwarze hat System, sie gehört zum System.

Floyd, der offenbar erstickte, als ihn ein Polizist bei der Festnahme minutenlang mit dem Knie im Nacken zu Boden drückte, war kein Einzelfall. Seit 2012 sei die Polizei der Stadt bei Verhaftungen 428 Mal so vorgegangen, berichtet der US-Sender CNN unter Berufung auf Daten der Polizei. Also einmal pro Woche. Das ist viel, denn Minneapolis ist keine Millionenstadt, sondern mit 380000 Einwohnern nur halb so groß wie Frankfurt am Main. Zwei Drittel der derart Malträtierten waren Schwarze, diese stellen aber nur 18 Prozent der Stadtbevölkerung. 58 verloren zeitweise das Bewusstsein.

Ein Krieg gegen die Schwarzen sei das, angezettelt von der US-Regierung, wetterte Louis Farrakhan, Führer der US-amerikanischen „Nation of Islam“ und ein ausgewiesener schwarzer Rassist und Antisemit. Das braucht man wirklich nicht zu glauben. Was man aber nicht nur glauben, sondern glasklar feststellen kann: Schwarze werden in den USA weiterhin systematisch unterdrückt und benachteiligt, trotz Abschaffung der Sklaverei vor 150 und rechtlicher Gleichstellung vor über 50 Jahren.

Freie Platzwahl im Bus bedeutet noch lange nicht, dass Afroamerikaner überall gern gesehen sind. Formal ist die amerikanische Gesellschaft selbstverständlich durchlässig. Auch Menschen mit dunkler Haut können dort studieren, können Chef sein, reich werden. Gemessen an ihrem Anteil an der Bevölkerung sind Schwarze bei den oberen Zehntausend aber immer noch unterrepräsentiert, auch als Träger von Preisen wie Oscars und Grammys. Eine Mehrheit stellen sie dafür in den Slums, in den Gefängnissen und vor allem in den Todeszellen.

Das ist der Hintergrund für die Wut, die sich in den Protesten in vielen der US-Städten entladen hat. Plünderungen und Gewaltexzesse können die friedlichen Demonstranten nicht diskreditieren, die ein berechtigtes Anliegen verfolgen: Schluss mit Polizeigewalt und Unterdrückung. Doch sie liefern einen Vorwand, den Protest insgesamt zu kriminalisieren.

Eines kommt noch hinzu. Die USA werden von einem Präsidenten regiert, der gar nicht erst den Versuch unternimmt, Präsident aller Amerikaner zu sein. Donald Trump spaltet sein Land, statt zu versöhnen. Sein Vorgänger äußerte in ähnlichen Situationen Verständnis für Proteste, ohne damit Randale zu rechtfertigen. Trump dagegen droht mit der Armee und lässt sich mit Tränengas den Weg bahnen zu einer grotesken Machtdemonstration mit der Bibel. Deren Inhalt steht indes nicht für Macht und Gewalt, sondern für Gleichheit und Nächstenliebe.

Meistgelesene Leitartikel & Kommentare