Mitten im Leben vom Tod umfangen

von Klaus Koch

Klaus Koch

Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen. Dieser 500 Jahre alte Satz Martin Luthers gilt auch im 21. Jahrhundert; allen medizinischen, hygienischen und technischen Fortschritten zum Trotz. Jeder Mensch stirbt, auch wenn moderne Gesellschaften versuchen, das so gut wie möglich zu verdrängen. Alle Themen hingegen, die sich mit einem möglichst langen Leben befassen, erreichen die höchste Aufmerksamkeit. Dabei sind die Tipps für mehr Bewegung und besseres Essen unproblematisch.

Fragwürdig wird es, wenn das technisch Machbare zur obersten Instanz für werdendes, beeinträchtigtes oder vergehendes Leben gemacht wird. Wie können Gene so manipuliert werden, dass Krankheiten verhindert werden? Wie kann die Diagnostik so verfeinert werden, dass nur gesunde Kinder geboren werden? Und eben die Frage: Wie können so viele Organe wie möglich transplantiert werden? Zu diesem Thema hat es sich der Bundestag nicht leicht gemacht und die Widerspruchslösung verworfen. Das ist gut so. Jeder Mensch muss selbst entscheiden – oder auch nicht entscheiden – dürfen, was mit seinem Körper geschieht.

Denn die Bereitschaft zur Organspende hat dramatische Auswirkungen auf die Art, wie ein Mensch stirbt. Auf der einen Seite müssen seine Lebensfunktionen so gut wie möglich technisch aufrechterhalten werden, damit das Organ brauchbar bleibt. Auf der anderen Seite darf zwischen Tod und Entnahme nicht viel Zeit verstreichen. Die ­letzten Stunden eines Lebens sind so von medizinisch-technischen Details, organisatorischen Fragen und professioneller Zweckmäßigkeit geprägt. Das spricht nicht ­dagegen zu spenden. Aber ein potenzieller Spender sollte darüber informiert sein.

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