Kein Aushängeschild für christlichen Glauben

von Stefanie Ramsperger

Stefanie Ramsperger

Michael Diener kandidiert nicht für eine dritte Amtszeit als Präses des Gnadauer Verbandes. In einem vertraulichen Schreiben hatte er Mitglieder des Verbandes vor deren Mitgliederversammlung vom 13. bis 15. Februar über seine Entscheidung informiert.

Zu früh offenbar, denn bereits jetzt diskutieren weit mehr Christen darüber als beabsichtigt. Die Information hat ihren Weg aus dem nicht ganz so vertrauenswürdigen Empfängerkreis – wie Diener wohl gehofft hatte – gefunden, direkt hin zur Nachrichtenagentur idea, die es als ihre Aufgabe betrachtete, ihre Leser über den Sachverhalt zu informieren. Im Netz wird schon jetzt fleißig bilanziert, gemutmaßt und beleidigt. Die Person ­Michael Diener erhitzt die Gemüter.

Diener ist seit 2009 Präses von ­Gnadau, dem Dachverband regionaler Verbände und Werke, diakonischer Einrichtungen, Missionen und Ausbildungsstätten. Seit fünf Jahren sitzt Diener im Rat der EKD. Ungefähr so lange liegen auch seine größten Verwerfungen mit einigen konservativen Christen zurück.

In zwei Interviews hatte Diener seinerzeit evangelikale Christen dazu ermuntert, in Fragen der Sexualethik selbstkritischer zu sein und sich aufgeschlossen mit dieser Thematik auseinanderzusetzen. Später hatte sich Diener bei denjenigen entschuldigt, die seine Sichtweise als unangemessene und verletzende Kritik verstanden haben. Auch seine klar positive Haltung zur Zuwanderungspolitik fand ihre Kritiker, um nur ein weiteres Beispiel zu nennen. „Wenn wir uns von Notleidenden abwenden, verhalten wir uns nicht dem Evangelium gemäß“, sind Sätze, die einige Fromme nicht gern auf aktives Engagement in der Seenotrettung angewendet hören möchten.

Klare Aussagen sind Dieners Ding. Klar ist, dass solche starken Sätze provozieren, Diskussionen anfachen und nicht gefallen müssen. Gegen sachliche Debatten ist nichts einzu­wen­den. Man darf auch Dieners vermittelnde Fähigkeiten mehr oder weniger schätzen, seinen theologischen Ansichten zustimmen oder auch nicht.

Problematisch wird es, wenn das Christentum als solches unglaubwürdig durch zur Schau gestellte Lieblosigkeit wird. Im Hohelied der Liebe heißt es in der Bibel (1. Korinther 13): „Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke.“ Zu viele Menschen, die von sich sagen, dass sie Christus folgen, klingen im Netz wie lärmende Pauken. Man fragt sich: Was ist deren Anliegen? Andere Menschen zu Christus zu führen oder einzelne „Brüder“ verbal niederzumetzeln? Letzteres ist kein Aushängeschild für den christlichen Glauben. Es ist peinlich, beschämend und gänzlich unchristlich.

Die Autorin ist Redaktionsleiterin des „Christlichen Medienmagazins pro“. Ungekürzter Kommentar: www.pro-medienmagazin.de.

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