Katholische Kirche steht am Scheideweg

von Klaus Koch

Klaus Koch

Wer in diesen Tagen mit engagierten Katholiken redet, spürt ihr Entsetzen. Der Missbrauchsskandal hat tiefe Spuren hinterlassen. Er verdunkelt die tolle, menschendienliche Arbeit vieler Haupt- und Ehrenamtlicher in der Kirche. Das ist eine Tragödie. Die Studie der Bischofskonferenz zeigt, dass es sich nicht um Einzelfälle handelt. Es wurde systematisch vertuscht, das Ansehen der Kirche vielfach höher bewertet als Aufklärung und Opferschutz. Scham, Entschuldigung und der Versuch der Wiedergutmachung werden da nicht reichen. Die katholische Kirche hat ein Strukturproblem.

Macht- und Herrschaftsstrukturen in der katholischen Welt wirken oft archaisch. Zwar tagen Gremien, diskutieren und stimmen manchmal sogar ab. Aber wie Entscheidungen in Kongregationen oder Bischofshäusern letztlich fallen, ist nicht transparent. Offenheit gibt es nur, wenn etwas passiert ist. Ihre Finanzen legen deutsche Bistümer erst seit dem Limburger Finanzskandal offen. Das Amtsverständnis von Pfarrer, Bischof und Papst gehört zum Wesenskern des Katholizismus. Aber im 21. Jahrhundert sind nur wenige Menschen bereit, dieser Machtfülle unkontrolliert zu vertrauen.

Die katholische Kirche steht am Scheideweg. Sie muss versuchen, ihre Strukturen zu modernisieren, ohne Glaubensinhalte dem Zeitgeist zu opfern. Die Aufklärung des Missbrauchsskandals wird zeigen, ob sie das schafft. Schon jetzt ist deutlich, dass viele Verantwortliche offensiv mit dem Skandal umgehen (Seite 6). Das kann ein Vorbild sein. Denn Missbrauch gab es auch bei Sportverbänden, in Vereinen sowie Kinder- und Jugendeinrichtungen. All denen ist die katholische Kirche mit ihrem erkennbaren Aufklärungswillen derzeit ein Stück voraus.

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