Kampf gegen Hetzer ist schwerer geworden

von Klaus Koch

Klaus Koch

Das kommt selten vor. Bis in die Wortwahl hinein waren sich die bürgerlich-konservative „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ und die linksalternative „Tageszeitung“ einig: Dass das Bundesverfassungsgericht die NPD nicht verboten hat, sei ein starkes Zeichen, kommentierten beide Blätter. Salopp formuliert attestierten die Verfassungsrichter einstimmig der NPD, dass sie durchaus willens ist, die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland zu zerstören. Nur in der Lage dazu ist sie nach Ansicht des Gerichts nicht. Deshalb wollten die Richter nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen und das starke Schwert des Parteienverbots einsetzen. Sie trauen der demokratischen deutschen Mehrheitsgesellschaft ganz einfach zu, mit dem organisierten rechten Rand auch ohne ein Verbot fertig zu werden.

Dieses Vertrauen der Richter in die Selbstreinigungskraft der Gesellschaft kann man als starkes Zeichen werten. Und natürlich verschwände rassistisches und völkisches Gedankengut durch ein Verbot nicht einfach so aus den Köpfen. Aber ein ungutes Gefühl bleibt. Der Rechtspopulismus in Deutschland wird immer aggressiver und Positionen der ach so schwachen NPD wie etwa die Pflege eines unsäglichen deutschen Opfermythos nach der Hitlerdiktatur haben längst bei einer nicht unerheblichen Zahl von Politikern und Mitgliedern der AfD eine neue, deutlich stärkere Heimat gefunden. Das zeigen nicht zuletzt die widerliche Rede des Thüringer AfD-Sprechers Björn Höcke und der anschließende verbale Eiertanz seiner Parteikollegen. Im Osten Deutschlands sind schon Bürgermeister wegen rechter Drohungen zurückgetreten und Volkshochschulen verzichten aus Angst vor Übergriffen auf Veranstaltungen gegen Rechtsextremismus. Wer sich dort gegen den braunen Mob engagiert, muss sich vom Bundesverfassungsgericht im Stich gelassen fühlen.

Es wäre auch ein starkes Zeichen aus Karlsruhe gewesen, wenn am Beispiel der NPD eindeutig gezeigt worden wäre, wo in einer freien Gesellschaft im Parteienstreit die roten Linien verlaufen. Denn nun darf die NPD diese Linien sogar mit höchstrichterlicher Genehmigung weiter überschreiten, ohne das Parteienprivileg zu verlieren. In der Logik des Gerichts darf sie das so lange tun, bis es gefährlich wird. Überzeugende Vorsorge gegen politischen Extremismus ist das nicht. Es wird nicht lange dauern, bis rechte Hetze mit der Bemerkung gewürzt wird: Das darf man sagen, das Bundesverfassungsgericht hat’s erlaubt. Der politische Kampf gegen Rechtsextremismus ist nach dem Urteil schwerer geworden. Aber er muss weiter entschieden geführt werden. Und gerade Christen können dabei viel bewirken. Sie können den selbst ernannten Verteidigern des christlichen Abendlandes ihre Überzeugung von Nächstenliebe und der unbedingten Würde jedes einzelnen Menschen entgegenstellen. Nur müssen sie es halt auch tun: immer und überall.

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