Heuchelei in der Außenpolitik

von Klaus Koch

Klaus Koch

Nach dem Giftanschlag auf den russischen Oppositionellen Nawalny ist die Empörung groß. Immer häufiger ist die Forderung zu hören, dass man dies dem russischen Präsidenten Putin nun wirklich nicht mehr durchgehen lassen dürfe. Zumindest die neue Gas-Pipeline zwischen Russland und Deutschland sollte als Strafe nicht fertiggestellt werden. Und in der Tat gibt es kaum Zweifel daran, dass der Anschlag zumindest mit dem Wissen des Kremls verübt wurde.

Zudem klingt es sehr unmoralisch, wenn den Putin-Kritikern entgegengehalten wird, dass Geschäft und Außenpolitik auch bei Nord Stream 2 nichts miteinander zu tun haben dürften. Und doch macht die Debatte die Heuchelei westlicher Außenpolitik deutlich. Auf der einen Seite werden hehre Werte hochgehalten, die möglichst überall auf der Welt verwirklicht werden sollen. Doch die Praxis sieht anders aus. In arabische Länder werden Waffen geliefert, europäische Firmen halten in Entwicklungsländern kaum die ­geringsten Umwelt- und Sozialstandards ein, und der Handel mit wenig demokratischen Staaten wie China floriert.

In einer durchökonomisierten Welt sind erzieherische Mittel in der Außenpolitik daher nutzlos bis zynisch. Das kapitalistische System zerstört weltweit menschliche Würde, wirtschaftliche Existenzen in den armen Ländern sowie Umwelt und Klima. Wer das klaglos hinnimmt oder zum eigenen oder nationalen Vorteil forciert, wirkt unglaubwürdig, wenn er sich nach politischem Kalkül Menschenrechtsverletzungen aussucht, um Sanktionen zu fordern. Durchschaubar wird es, wenn die Sanktionen nichts nützen. Denn auch ohne Nord Stream 2 kann Deutschland noch viele Jahre kostengünstig mit russischem Gas versorgt werden.

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