Entwicklungshilfe ohne Hintergedanken

von Wolfgang Weissgerber

Wolfgang Weissgerber

„Terre des Hommes“. „World Vision“. Welthungerhilfe. Oder „Brot für die Welt“. Alle diese Organisationen wollen nur das eine: helfen. Das evangelische Hilfswerk „Brot für die Welt“ ruft in diesem Advent bereits zum 60. Mal zu Spenden auf. Auch die anderen sind seit Jahrzehnten im Geschäft. Geschäft? Ja, Geschäft. Der Spendenmarkt ist heiß umkämpft, es geht um viel Geld – für den guten Zweck.

Bereits im ersten Jahr sammelte „Brot für die Welt“ rund 20 Millionen Mark ein, ein Viertel davon in der DDR. 2017 kamen durch Spenden und Gottesdienstkollekten fast 62 Millionen Euro zusammen. Mit Zuschüssen des Kirchlichen Entwicklungsdienstes und weiteren Zuwendungen vor allem aus dem Bundesentwicklungsministerium standen 2017 insgesamt 282,2 Millionen Euro zur Verfügung.

In all den Jahrzehnten war das von Erfolg gekrönt. 1990 litten nach Darstellung der Welternährungsorganisation FAO mehr als eine Milliarde Menschen an Hunger, 18,6 Prozent der damaligen Weltbevölkerung. Innerhalb von 25 Jahren ging diese Zahl um mehr als 200 Millionen Menschen auf knapp 800 Millionen oder gut elf Prozent zurück, obwohl die Weltbevölkerung von unter fünfeinhalb auf über sieben Milliarden Menschen wuchs. Seitdem steigt die Zahl der Hungernden allerdings wieder an.

Umstritten ist, wie es gelungen ist, in einer wachsenden Weltbevölkerung eine zunehmende Zahl von Menschen zu ernähren. Sind die Hilfsorganisationen der Reparaturbetrieb des Kapitalismus und der Globalisierung? Oder sind es der Kapitalismus und die Globalisierung selbst, die in den armen Ländern nach Jahrzehnten des Darbens eine Wende zum Besseren bewirken? Vertreter des neoliberalen Mainstreams sind davon überzeugt.

So ganz von der Hand zu weisen, ist diese Vermutung sicher nicht. Mit Planwirtschaft wäre den unterentwickelten Ländern noch weit weniger gedient gewesen. Die Ursachen ihrer Not sind zum einen in den Jahrzehnten der Ausbeutung durch die Europäer zu sehen. Die Misswirtschaft kleptokratischer neuer Eliten tat ein Übriges. Zur Not der sogenannten Dritten Welt trägt aber vor allem bei, dass die reichen Länder mit Zöllen und Subventionen den Kräften des Marktes bis heute nicht ihren freien Lauf lassen. Vergebens sind Bemühungen von Hilfsorganisationen, Kleinbauern mit effizienten Anbaumethoden zu stärken, wenn verbilligte europäische Agrarexporte die afrikanische Landwirtschaft in den Ruin treiben.

Der große Pluspunkt von NGOs wie „Brot für die Welt“ ist ihre Unabhängigkeit. Ihre Entwicklungshilfe ist keinen wirtschaftlichen Interessen unterworfen. Kurzfristig helfen sie, Hunger und Krankheiten zu bekämpfen. Langfristig unterstützen sie den Aufbau nachhaltiger wirtschaftlicher Strukturen, ohne dabei auf lukrative Aufträge für die heimische Wirtschaft zu schielen. Schon deshalb ist jeder Spendeneuro eine gute Investition.

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