Ein unangemessener Vergleich des Papstes

von Martin Schuck

Martin Schuck

Für viele war es ein Schock, als Papst Franziskus bei seiner Generalaudienz Abtreibung mit einem Auftragsmord verglichen hat. Abweichend vom Manuskript seiner Predigt über das Gebot „Du sollst nicht töten“ fiel der von diesem Papst nicht zu erwartende Satz „Ist es richtig, einen Auftragsmörder anzuheuern, um ein Problem zu lösen?“. Seine Gedanken über die „Abwertung menschlichen Lebens“ durch Kriege, Ausbeutung und Ausgrenzung traten angesichts dieses Satzes in den Hintergrund.

Als der frühere Erzbischof von Buenos Aires vor fünfeinhalb Jahren zum Papst gewählt wurde, waren in der katholischen Kirche die Erwartungen groß. Der Südamerikaner stand für einen neuen, unkonventionellen Stil; nicht einmal die päpstliche Wohnung im Vatikan nutzte er, sondern zog in das vatikanische Gästehaus. In fast allen seinen Äußerungen hob sich Franziskus von seinem Vorgänger Benedikt XVI. ab, der den Eindruck vermittelte, als sei ihm die Reinhaltung der Lehre wichtiger als die Sorge um die betroffenen Menschen.

Im Rückblick zeigt sich, dass mit der Wahl von Franziskus ein ganzes Bündel von Erwartungen verbunden war, die ein einzelner Mensch wohl niemals alle erfüllen kann. Franziskus sollte nicht nur einen neuen Stil in der Amtsführung etablieren, sondern auch die verkrustete vatikanische Verwaltung, die Kurie, reformieren und die Kirche insgesamt von einem Teil ihrer als nicht mehr zeitgemäß empfundenen dogmatischen Last befreien. Dazu zählte nicht zuletzt der gesamte Bereich der Lebensführung, vom Verbot homosexueller Handlungen bis hin zum Eucharistieempfang für wiederverheiratete Geschiedene.

Schaut man auf die Amtsführung des Papstes, fällt auf, dass ihn hauptsächlich zwei Dinge umtreiben: die Reform der Kurie und die Haltung der Kirche zu sozialen Problemen. Bei der Kurienreform unternahm Franziskus bemerkenswerte Anstrengungen, beispielsweise die Einberufung einer Kommission von acht Kardinälen aus allen Kontinenten, die ihm beratend zur Seite stehen sollte. Aber gerade hier wird immer deutlicher, dass er die Verharrungskräfte unterschätzt hat, die ein seit Jahrhunderten nach ähnlichen Mustern arbeitender Apparat entwickelt hat. Erfolgreicher war Franziskus in seiner Haltung zu sozialen Fragen. Hier gibt es bemerkenswerte Äußerungen gegen einen überzogenen Kapitalismus sowie überzeugende menschliche Zuwendungen zu in Italien angekommenen Flüchtlingen.

Allerdings zeigten viele spontane Äußerungen in Interviews, dass Franziskus letztlich ein wertkonservativer Katholik ist, der die Welt aus seiner südamerikanischen Sicht deutet. Und da ist Abtreibung verwerflich, und um das zu betonen, hat er es unangemessen mit Auftragsmord verglichen. Überlegt war das sicherlich nicht. Aber dieser Vergleich wird auch niemals in einem offiziellen vatikanischen Dokument auftauchen.

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