Ein Kniefall vor Politik und Wirtschaft

von Hartmut Metzger

Hartmut Metzger

Vor 25 Jahren kam der Verzicht auf den Buß- und Bettag als gesetzlichem Feiertag ins Gespräch. Vor 24 Jahren wurde beschlossen, ihn abzuschaffen, und seit 23 Jahren ist er nun schon außerhalb von Sachsen nicht mehr arbeitsfrei. Der Grund des Ganzen: Es wurde seinerzeit nach Wegen gesucht, eine angebliche Mehrbelastung der Arbeitgeber durch die Beiträge zur neu eingeführten Pflegeversicherung mit einem zusätzlichen Arbeitstag auszugleichen.

Das war schon im Ansatz ein unsinniges Unterfangen, weil der Süden der Republik trotz seiner vielen Feiertage dem Norden wirtschaftlich deutlich überlegen ist. Auch im Ergebnis ist die „sichere Finanzierung der Pflegeversicherung“ offenkundig gescheitert, weil jede Beitragserhöhung seit Jahr und Tag den Verzicht auf diesen Feiertag ad absurdum führt.

Zur angeblichen Entlastung der Arbeitgeber hat die evangelische Kirche ihren einzigen Feiertag freiwillig sturmreif geschossen. Dass dieses im sozial-diakonischen Eifer dargebrachte Opfer ein großer Fehler war, wird heutzutage niemand mehr bestreiten wollen. Die katholischen Feiertage Fronleichnam und Allerheiligen sind – zum Glück – noch immer arbeitsfrei. Ergebnis evangelischer Kirchenpolitik: Die Katholiken haben zwei, die Protestanten keinen.

Zudem wurde bereits wenige Jahre nach dem Verzicht auf den Buß- und Bettag deutlich, wie groß die öffentliche Aufmerksamkeit für Aktionen des Sonntags- und Feiertagsschutzes tatsächlich war. Zum Beispiel gelang es dem KIRCHENBOTEN und acht weiteren evangelischen Wochenzeitungen in kurzer Zeit, 465 272 Unterschriften zum Sonntagsschutz und zur Wiedereinführung des Buß- und Bettags als gesetzlichem Feiertag zu sammeln. Die Unterschriften wurden am 13. Dezember 1999 Bundestagspräsident Thierse in Berlin überreicht. Geholfen haben alle Proteste nichts.

Ausgerechnet die Debatte um den Reformationstag zeigt nun in diesen Tagen auf, wie überflüssig der Kniefall der evangelischen Kirche vor Politik und Wirtschaft vor 25 Jahren war: Im Februar haben Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen beschlossen, den Reformationstag als gesetzlichen Feiertag einzuführen; schon seit der deutschen Vereinigung ist er in den Bundesländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und in Thüringen ein gesetzlicher Feiertag. Es fehlen also nur noch Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, das Saarland, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Berlin. Ob da etwas geschieht?

Den Buß- und Bettag – den bis 1995 bundesweit einzigen gesetzlichen evangelischen Feiertag – wird es nicht mehr geben, obwohl sein Anliegen der Besinnung und Umkehr aktuell von höchster Dringlichkeit ist. Er fiel einer Haltung zum Opfer, die im Rückblick nur als vorauseilender Gehorsam zu bezeichnen und mit einer allzu großen Nähe zur Politik zu erklären ist.

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