Die Zukunft wird nicht nur digital sein

von Klaus Koch

Klaus Koch

Viele Ältere schütteln immer wieder mit dem Kopf, wenn sie Jugendliche sehen, die zwar gemeinsam unterwegs sind, aber jeder Einzelne mit seinem Handy beschäftigt ist. Wächst da eine Generation heran, die nur in der digitalen Welt lebt und mit dem realen Gegenüber nichts mehr anzufangen weiß? Nein! Mitarbeiter in der evangelischen Jugendarbeit berichten, dass vielen Jugendlichen inzwischen die ausschließlich digitale Kommunikation zum Halse heraushängt. Sie wollen endlich wieder realen Kontakt.

Der Mensch ist ein soziales Wesen. Das wird er auch bleiben, gleichgültig welche Kulturtechniken noch erfunden werden. Das ist eine der offensichtlichen Lehren aus Corona-Zeiten. Entgegen ihrem landläufigen Image als behäbiger Institution hat die Kirche nach dem Verbot von Gottesdiensten schnell reagiert und digitale Angebote gemacht. Nicht alles ist gelungen. Doch die vielen Angebote haben den Eindruck erweckt, die Kirche mache einen technologischen Sprung. Das kirchliche Leben werde nach der Corona-Krise ein moderneres sein, sagten manche voraus.

Nun, da die Kontaktbeschränkungen nach und nach gelockert werden, ist diese Voraussage nicht mehr so sicher. Wenn schon die Jugendlichen nach mehreren Wochen der rein digitalen Kommunikation überdrüssig werden, sind es die Älteren wohl erst recht. Wahrscheinlich hat in den vergangenen Jahrzehnten kein Jahrgang so sehnsüchtig auf die Konfirmation gewartet wie der des Jahres 2020. Technische Hilfsmittel können die Organisation erleichtern. Mancher Kirchenmitarbeiter wird erkannt haben, dass Zoom, Skype, Streaming und WhatsApp-Gruppen möglicherweise doch nicht vom Antichristen geschickt wurden. Aber persönliche Kontakte ersetzen kann die Technik nicht.

Das ist die eigentliche Lehre für die Kirche aus der Krise. Sie wird zwar immer kleiner, aber sie ist in jedem Ort vertreten. Und in jedem Ort gibt es einsame Menschen. Das war schon vor Corona so. Deshalb ist es grundfalsch, wenn sich schrumpfende Gemeinden mit Blick auf den kirchlichen Bedeutungsverlust einigeln, wenn sich Gläubige mit Gleichgesinnten wie in einer Art Trutzburg abschotten. Gerade die Kirchengemeinden haben die Möglichkeiten, Gruppenerlebnis zu gestalten, Gemeinschaft zu leben. Wie wichtig das ist, zeigt Corona überdeutlich.

Es muss nicht die anspruchsvolle Veranstaltung mit viel geistlicher Substanz sein, die angeboten wird. Der Feierabendstammtisch in Orten ohne Kneipe, der regelmäßige Kaffeeklatsch oder die Fahrradtour können in Dörfern, deren soziale Infrastruktur weggebrochen ist, die Lebensqualität erhöhen. Wem das alles zu wenig kirchlich oder missionarisch ist, sollte einmal beobachten, wie angenehm berührt Menschen sind, wenn sie nach einer nicht besonders religiösen Veranstaltung mit einem kurzen Segenswort nach Hause geschickt werden.

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