Die uralte Angst vor der Ansteckung

von Martin Schuck

Martin Schuck

Ansteckende Krankheitsauslöser wie das ­Corona-Virus wecken Urängste, die so alt sind wie die Menschheit. So ist es kein Zufall, dass zwei der zehn biblischen Plagen, die Gott den Ägyptern schickt, damit der Pharao die Israeliten ziehen lässt, Krankheiten sind: zunächst die Viehpest, die nur Tiere dahinrafft, dann aber Blattern, die Mensch und Vieh heimsuchen. Und dann ist da der Aussatz, der im Alten wie im Neuen Testament sozial ausgrenzend wirkt. Menschen, die mit Aussatz infiziert sind, müssen vor den Toren der Stadt leben, und jeder Umgang mit ihnen ist den Gesunden verboten.

Es ist ein Leichtes, weitere Beispiele für die Urangst vor ansteckenden Krankheiten zu finden. Im Mittelalter führte die Ohnmacht gegenüber der Pest dazu, dass die Juden, die sich aufgrund ihrer rituellen Bäder seltener ansteckten als die Christen, wegen ihrer hohen Überlebensraten als die Verursacher beschuldigt wurden. So war die Unkenntnis über die Übertragungswege von Krankheiten mitverantwortlich für eine ­frühe Form christlicher Judenfeindschaft.

Spätestens seit das Corona-Virus Deutschland erreicht hat, sind die gleichen Urängste wie vor Tausenden von Jahren am Werk. Gebannt schauen die Menschen nach China und sind beeindruckt, dass dort Millionenstädte abgeriegelt werden wegen einer Krankheit, die von Experten als weniger schlimm eingestuft wird wie die „normale“ Grippe. Dabei entstehen durch Mutationen ständig neue Erreger, die nicht durch Quarantäne unschädlich gemacht werden können, sondern durch Impfstoffe, die aber erst entwickelt werden müssen. Nimmt eine Krankheit dann einen normalen Verlauf, verschwindet sie schnell wieder aus der öffentlichen Wahrnehmung – bis der nächste Erreger auftaucht.

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