Die Tat von Halle nicht der AfD anlasten

von Nils Sandrisser

Nils Sandrisser

Nach dem Attentat eines mutmaßlichen Rechtsextremisten auf eine Synagoge in Halle geben Politiker vieler Parteien der AfD eine Mitschuld an dem Verbrechen. Die AfD hingegen jammert darüber, dass die anderen Parteien den Anschlag für sich instrumentalisierten. Und darin hat die AfD sogar recht. Klar ist, dass beide Phänomene – eine zunehmende Radikalisierung der AfD nach rechts und Gewalttaten gegen Andersgläubige sowie anders Aussehende – zusammen auftreten. Recht gut erforscht ist auch, dass aus Worten in gesellschaftlichen Debatten Taten werden können. Aber Wissenschaftler unterscheiden streng zwischen einer Koinzidenz, einer Korrelation und einer Kausalität. Ob also etwas zufällig gleichzeitig geschieht, ob etwas zusammenhängt oder ob etwas die Ursache für etwas anderes ist.

Und da muss man klar sagen, dass ein empirischer Beweis für eine Kausalität der AfD für die Tat von Halle fehlt. Es gibt in den Tiefen des Internets genug andere Extremisten und Wirrköpfe, die ihn angestachelt haben könnten. Oder er hat sich ein Beispiel an den Rechtsterroristen des NSU genommen, die ihre Taten bis 2011 begangen haben, zwei Jahre, ehe die AfD gegründet wurde.

Es gibt ekelhafte Äußerungen aus den Reihen der AfD. Ihre Politiker diskutieren selten sachlich und instrumentalisieren nach Kräften. Als im Juli ein Schizophrener in Frankfurt zwei Menschen vor einen Zug stieß und ein kleiner Junge dabei starb, brachte AfD-Fraktionsvorsitzende ­Alice Weidel die Tat in einen direkten Zusammenhang mit der Aufnahme von Flüchtlingen, weil der Täter aus Eritrea stammt. Das war auf gleich mehreren Ebenen falsch und widerwärtig: Der Eritreer war kein Flüchtling, und Weidels Satz ergibt nur dann Sinn, wenn man davon ausgeht, dass Fremde schon aufgrund ihrer Herkunft mehr zu Gewalt und Kriminalität neigen als Einheimische. Die Forschung nennt so eine Einstellung gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Man kann es auch offenen Rassismus nennen.

Und ja, AfD-Politiker können selbst bei fairer Kritik nicht einstecken. Ein Beispiel ist das ZDF-Interview, das Björn Höcke abbrach, weil der Journalist ihn mit seinen eigenen Aussagen konfrontierte. Das sind jedoch alles keine Gründe, selbst Foul zu spielen. Nicht nur deshalb, weil eine gesicherte Faktengrundlage fehlt, sondern weil es der AfD sogar noch in die Hände spielt. So kann sie sich selbst wunderbar als Opfer inszenieren und ihre Anhängerschaft damit mobilisieren. Am besten wäre es daher, Politiker, Wissenschaftler und Journalisten würden benennen, dass manche Menschen sich berechtigt fühlen, Blut zu vergießen, wenn Rassismus, Antisemitismus und Chauvinismus normaler werden, ohne konkret die AfD damit in Verbindung zu bringen. Falls sich die Partei dann immer noch angesprochen fühlt, müsste sie zunächst einmal erklären, warum.

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