Die Pflege braucht attraktivere Gehälter

von Renate Haller

Renate Haller

Der Pflegemarkt wächst schnell. 2015 verzeichnete er einen Umsatz von rund 50 Milliarden Euro, 2030 sollen es mehr als 80 Milliarden sein. Krisenfest ist er obendrein, weil die Menschen immer älter werden. Kein Wunder, dass er nicht nur Investoren anzieht, denen es in erster Linie um das Wohl der Pflegebedürftigen geht.

Knapp die Hälfte der Pflegeheime sind in privater Trägerschaft. Das ist gut so. Denn der schnell wachsende Bedarf an Heimplätzen ist allein von gemeinnützigen Trägern wie Diakonie, Caritas oder Arbeiterwohlfahrt nicht zu schaffen. Private Träger wollen aber auch Geld verdienen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Übel wird es dann, wenn der Gewinn wichtiger ist als gute Pflege und gute Arbeitsbedingungen. Einigen privaten Anbietern wird genau das aber vorgeworfen: hohe Renditen bei gleichzeitigem Personalmangel und niedrigen Gehältern. Was also tun?

Einen guten Teil der Heimkosten übernimmt die Pflegeversicherung. Deren Ziel kann es nicht sein, zu zweistelligen Renditen beizutragen. Deshalb kann es sinnvoll sein, die Höhe der Renditen gesetzlich zu begrenzen. Das wäre zwar ein Eingriff in den Markt, würde aber all jene abschrecken, die Pflegeheime kaufen und wieder verkaufen, sobald sie hohe Gewinne abgezogen und nichts in Heim und Personal investiert haben. Denen es schlicht egal ist, ob sie mit Pflege oder mit Wurstdosen ihr Geschäft machen.

Zum Zweiten müssen Altenpflegerinnen und -pfleger mehr verdienen. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) war einen Tag im Amt, als er auf dem Deutschen Pflegetag im März 2018 sagte, mithilfe eines Tarifvertrags für die Altenpflege sollen die dort bezahlten Löhne und Gehälter steigen. Verhandlungen dazu sollen Anfang dieses Jahres starten. Der Bundesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt, Wolfgang Stadler, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), er gehe davon aus, „dass im Januar der Durchbruch gelingt und alle Voraussetzungen erfüllt sind, um einen allgemein verbindlichen Tarif in der Pflege umzusetzen“. Stadlers Organisation ist Teil des gemeinsamen Arbeitgeberverbands der nicht kirchlichen, gemeinnützigen Organisationen, die mit der Gewerkschaft verdi verhandeln wollen. Diese will sich mit den Lohnforderungen an den Tarifen im öffentlichen Dienst orientieren.

Private Pflegeanbieter haben kein Interesse an einem allgemein verbindlichen Tarifvertrag. Sie bezeichnen das Bestreben nach einem für alle bindenden Vertrag als „schwerwiegenden Eingriff in die Tarifautonomie“. Das mag sein, aber das Ziel rechtfertigt das Mittel: attraktivere Gehälter für einen Berufszweig, der immer stärker nachgefragt ist und jahrelang sträflich vernachlässigt wurde. Der Zwang dazu würde hoffentlich einige der schwarzen Schafe unter den Heimbetreibern abschrecken, die wenig bezahlen und nicht nach der Qualifikation der Mitarbeiter schauen.

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