Die Militärseelsorge legitimiert keinen Krieg

von Klaus Koch

Klaus Koch

In den 1970er und 1980er Jahren wurden jungen Männern, die den Kriegsdienst verweigern wollten, abstruse Fragen gestellt: „Stellen Sie sich einmal vor, Sie laufen mit Ihrer Freundin durch den Pfälzerwald, und es kommt ein sowjetischer Soldat, der das Mädchen vergewaltigen will. Wenn Sie ein Gewehr hätten, würden Sie schießen?“ Tja, was sagt man da, wenn man friedensbewegt, evangelisch, aber eben auch verliebt ist? Der kluge Verweigerer ließ sich natürlich schulen, um solchem Blödsinn rhetorisch geschickt ausweichen zu können. Aber im Prinzip spitzt diese Frage den Zwiespalt zu, in dem sich die Kirche – Jahrzehnte und viele Seiten friedensethischer Abhandlungen später – immer noch befindet.

Wann ist es genug mit dem Hinhalten der anderen Wange? Und wann ist es besser, den Feind zu töten, statt ihn zu lieben? In der unerlösten Welt gibt es auf diese Fragen keine eindeutigen Antworten. Und trotzdem müssen sie immer wieder gestellt werden. Nach der deutschen Einheit hat sich die militärische Lage grundlegend geändert. Schon lange verteidigt die Bundeswehr nicht mehr in erster Linie das Vaterland. Die Soldaten sind weltweit im Einsatz, riskieren ihr Leben für Frieden oder zumindest für relative Sicherheit an vielen Orten der Welt. Da ist es wichtig, regelmäßig nach Sinn und ethischer Rechtfertigung der militärischen Aktionen zu fragen.

Das gilt besonders in einer Zeit, in der die Verbündeten von Deutschland immer mehr verlangen. Mehr Verantwortung müsse dieser Handelsriese in der Welt übernehmen. Verdächtig ist dabei, dass unter Verantwortung immer mehr Militärausgaben, mehr Truppeneinsatz, mehr Waffen verstanden wird. Die Vorschläge der neuen Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer zu Nordsyrien zeigen, dass dieser Druck immer stärker wirkt. Dass humanitäre Hilfe, umsichtige Diplomatie und eine zielgerichtete Entwicklungspolitik auch sehr verantwortlich für die Welt sein können, wird dabei oft vergessen. Richtig ist daher, dass die Kirchen und andere Friedensinitiativen immer wieder daran erinnern.

Doch all die Skepsis gegen zu viel Militär darf nicht zur Missachtung der Soldaten führen. Sie mögen ein Handwerk betreiben, das vielen Menschen, besonders vielen Christen, nicht gefällt. Das mindert aber nicht ihre Würde als Menschen, die Respekt verdienen und die auf der Grundlage demokratischer Regeln arbeiten. Deshalb ist trotz gelegentlicher innerkirchlicher Kritik auch die Militärseelsorge ein wichtiger Teil kirchlicher Arbeit. Diese Seelsorge legitimiert im Gegensatz zu vergangenen Zeiten keinen Auslandseinsatz und schon gar keinen Kampfeinsatz. Die Seelsorge an Soldatinnen und Soldaten begleitet ganz einfach Menschen mit existenziellen Fragen und in existenziellen Lebenssituationen. Und genau das ist eine wesentliche Aufgabe der Kirchen.

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