Der böse Islam und das gute Christentum

von Hartmut Metzger

Hartmut Metzger

Gehört das Christentum zu Deutschland? Eine Frage, die sich so nicht stellt. Gehört der Islam zu Deutschland? Eine Frage, die der frühere Bundespräsident Christian Wulff mit Ja beantwortet hat. Eine Antwort, die Innenminister Horst Seehofer vehement bestreitet, und dafür von seiner Kanzlerin Angela Merkel eine fette „Watschn“ kriegt, über die er sich dann auch noch beschwert.

Was soll das Ganze? Das Christentum gehört ebenso wenig zu Deutschland wie der Islam. Hier wird Religion einmal mehr instrumentalisiert. Es gibt in Deutschland Christen, und es gibt in Deutschland Muslime. Wie viel von jeder Sorte, ist zunächst einmal egal. Erinnern wir uns an den bekannten Satz des Rechtsphilosophen Ernst-Wolfgang Böckenförde aus dem Jahr 1976: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des Einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert. Andererseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots, zu garantieren suchen …“

Zurzeit wird mit Zuordnungen Politik gemacht, die in Deutschland und Mitteleuropa gleich im 16. Jahrhundert eine besonders blutige Rolle spielten. Aber nicht nur hier. Wem gehört Jerusalem? Keine 500 Jahre zuvor waren die Fragen noch einfacher, aber die Kriege und Kreuzzüge nicht weniger blutig. Die Frage „Zu wem gehört?“ sollte 500 Jahre nach der ­Reformation und 250 Jahre nach dem Tod Voltaires überhaupt nicht mehr gestellt werden.

Die Politik jedweder Couleur sollte froh sein, dass es Wissenschaften gibt, die solche Fragen aufgrund der historischen Fakten – und ohne überhöhte Interessen – beantworten können. Wollen wir etwa heutzutage den Nahost-Konflikt auf dem Niveau unserer deutschen „Unkultur-Debatte“ klären: Der Islam gehört zum Tempelberg, das Judentum zur Klagemauer und das Christentum zur Grabeskirche?

Die deutsche „Muttersprache“ (die ohne Stern!) hat uns ein unvergleichliches Instrument an den Kopf gegeben, komplizierte Zusammenhänge exakt zu beschreiben. Wir sollten uns diese Sprache und das auf ihr basierende Denken erhalten: Der Islam gehört ebenso wenig zu Deutschland wie das Christentum. Aber das Christentum hat diese Gesellschaft und diesen Staat in wesentlichen Teilen seiner Verfassung entscheidend geprägt. Die Christen haben Jesus von Nazareth aber häufig schon peinlichst verleugnet. Und der Islam hat zum Beispiel in Südspanien gezeigt, dass er durchaus liberal und menschenfreundlich sein kann. Nicht auf Zuordnungen, auf die Personen kommt es an.

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