Das Abendmahl ist ein deutsches Thema

von Andrea Seeger

Andrea Seeger

Als kleines Mädchen durfte sie nicht mit ihrer evangelischen Mutter Hand in Hand zum Altar gehen. Dorthin begleitete sie ihren katholischen Vater, wenn er die Eucharistie, das katholische Abendmahl, empfing. Ihre ­Mutter musste in der Kirchenbank sitzen bleiben. Das schmerzt die Katholikin noch heute. Statistisch betrachtet heiratet in Deutschland knapp die Hälfte aller Christen über evangelisch-katholische Konfessionsgrenzen hinweg – öfter als in den meisten anderen Ländern.

Die Frage nach einem gemeinsamen Abendmahl ist also vor allem ein deutsches Thema. Und es ist ein wichtiges, ein drängendes Thema im Angesicht des dritten Ökumenischen Kirchentags 2021 in Frankfurt. Jetzt hat eine Gruppe hochkarätiger evangelischer und katholischer Theologinnen und Theologen dem Ansinnen wissenschaftlich den Weg bereitet. Sie legten ein Papier vor mit dem Titel „Gemeinsam am Tisch des Herrn – Ökumenische Perspektiven bei der Feier von Abendmahl und Eucharistie“.

Die Rede ist allerdings nicht von einem gemeinsamen Abendmahl. Es geht um die Teilnahme am Abendmahl der jeweils anderen Konfession. Auch das ist vonseiten der katholischen Kirche bisher nicht erlaubt. Im katholischen Verständnis steht ein Priester in der direkten Nachfolge der Apostel. Durch seine Weihe ist er im Moment der Heiligen Messe Stellvertreter Christi auf Erden. Alle Christen glauben: Christus ist beim Abendmahl gegenwärtig – wie genau, darüber gehen die Glaubensvorstellungen von Katholiken, Lutheranern und Reformierten auseinander. Im katholischen Verständnis werden durch die Wandlungsworte des Priesters Wein und Brot zu Christi Fleisch und Blut. Daher bewahren Katholiken zum Beispiel geweihte Hostien in einem besonderen Behälter auf, dem Tabernakel.

Die aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen haben sich übrigens erst 1973 auf ein gemeinsames Abendmahlsverständnis geeinigt – nach langen Querelen zwischen Lutheranern und Reformierten. „Wir bekennen die Gegenwart des auferstandenen Herrn unter uns“, heißt es. Wie diese Gegenwart aussieht, ist Glaubenssache. Die Theologen vom Ökumenischen Arbeitskreis verweisen in ihrem Papier auf das Neue Testament. Jesus Christus lädt ein zur Eucharistie, schließt dabei niemanden aus. Wenn man zugesteht, dass nicht der Priester einlädt, sondern Christus, weitet es den Blick und ermöglicht die gegenseitige Gastfreundschaft.

Die Frage heute muss sein: Lädt die katholische Kirche Protestanten zur Eucharistiefeier ein? Und können Katholiken umgekehrt am evangelischen Abendmahl teilnehmen, ohne dass ihnen ihre Kirche ein schlechtes Gewissen macht? Das zumindest ausprobieren zu können, ist viel wert. Bis Mai 2021 bleibt noch ein bisschen Zeit, weitere konkrete Schritte zu gehen, um gemeinsam am Tisch des Herren feiern zu können.

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