Bundestag braucht ein neues Wahlrecht

von Klaus Koch

Klaus Koch

Eigentlich sollten im Deutschen Bundestag 598 Abgeordnete sitzen. Doch es sind unglaubliche 709. Das ist einem Wahlrecht geschuldet, das gerecht ist, weil es dafür sorgt, dass im Parlament exakt das Wahlergebnis abgebildet wird und den ehernen Demokratiegrundsatz beherzigt, dass jede Stimme gleich viel wert sein muss. Aber praktikabel ist das Wahlrecht nicht mehr. Es muss geändert werden. Noch vor der kommenden Bundestagswahl. Sonst wird der Bundestag weiter beschädigt, der Vorwurf des Selbstbedienungsladens für die Parteien wird lauter.

Die Abgeordneten haben zwei Möglichkeiten, das Problem zu lösen. Sie können Ältestenrat und Fraktionsgeschäftsführer hinter verschlossenen Türen schachern lassen, bis sie ein neues Wahlrecht aus dem Ärmel schütteln. Sie können aber auch eine öffentliche Debatte anzetteln. Klar, das Wahlrecht ist kompliziert. Aber es ist auch ein Lebensnerv der Demokratie. Welchen Sinn haben Direktmandate, welchen das Verhältniswahlrecht? Warum gibt es Überhangmandate, und warum müssen sie ausgeglichen werden? Diese Fragen sind wichtig, weil sie die Macht, die vom Volk ausgehen soll, organisieren.

Für Populisten ist ein aufgeblähter Bundestag und ein undurchsichtiges oder ungerechtes Wahlsystem seit jeher ein gefundenes Fressen. Sie nehmen für sich in Anspruch, den Willen des Volkes sowieso zu kennen und zu vertreten. Die vom Volk gewählten Abgeordneten diffamieren sie gerne als Establishment oder Absahner, die Parlamente als Quasselbuden oder Affenhäuser. Deshalb ist es entscheidend für eine demokratische Ordnung, dass Parlamente transparent entscheiden und sich effizient organisieren. Der Deutsche Bundestag muss da noch einiges besser machen.

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