Spielfreude in die Wiege gelegt

Theater an der Weinstraße besteht seit über 40 Jahren – Aktuell wird für „Oliver Twist“ geprobt

Wiederholung muss sein: Hans Dreyer (Zweiter von rechts) gibt seinem Schauspielensemble genaue Regieanweisungen. Foto: Franck

Gefühlte 100 Variationen der ungewöhnlichen Redewendung „Ich werde meinen Kopf aufessen, wenn ...“ muss die Schauspieltruppe des Theaters an der Weinstraße an einem Sonntagnachmittag über sich ergehen lassen. Wer bereits in Charles Dickens Klassiker „Oliver Twist“ geschmökert hat, wird diesen Satz möglicherweise wiedererkennen. Geprobt wird nämlich für die von Regisseur Hans Dreyer eigens angefertigte neue Theaterfassung des Gesellschaftsromans, die am 20. Juni auf der Klosterruine Limburg bei Bad Dürkheim Premiere feiern wird.

Wieso aber immer wieder gerade dieser Satz? Nun, zum einen ist es der Lieblingsspruch eines gewissen Mister Grimmwig, dargestellt von Rainer Meiler, der im Laufe des Stücks mehrmals fallen wird. Zum anderen soll diese Phrase nach Anweisungen des Regisseurs in einem ganz bestimmten Tonfall gesprochen werden. Grimmwigs Gegenüber, Mister Brownlow alias Gerd Faber, muss daraufhin mit einer großen Geste erwidern. Bis dieses Zusammenspiel richtig sitzt, sind einige Durchgänge fällig.

Das stört die jungen und jung gebliebenen Laienschauspieler aber nicht im Geringsten. Mit großer Spielfreude und manchmal noch ins Textbuch spitzelnd wird gebrüllt, gestampft, pikiert geguckt, wild gestikuliert – und natürlich wiederholt. „Es ist immer viel Geduld gefragt“, sagt Dreyer, „beim Regisseur wie auch bei den Schauspielern.“

Für den perfekten Auftritt muss jede Geste sitzen – selbst der Klaps auf den Allerwertesten des Dienstmädchens. Annika Nuß, die jene Dienstmagd verkörpert, nimmt die sich ständig wiederholenden Klapse gelassen hin. Schließlich ist die 30-Jährige seit ihrem zehnten Lebensjahr dabei und kennt die typischen Probenabläufe. In den Theaterbetrieb regelrecht hineingeboren ist Cora Neubauer-Pfaehler. „Mit viereinhalb Jahren hatte ich meinen ersten Bühnenauftritt“, berichtet die 13-Jährige. Jetzt spielt sie ihre erste Hauptrolle – Oliver Twist. Die Spielfreude scheint vielen Darstellern also schon in die Wiege gelegt zu werden.

Seit 40 Jahren stellt das Theater an der Weinstraße mindestens ein Stück pro Jahr auf die Beine. „Auf einen Stil wollten wir uns aber nie festlegen“, so Dreyer. 1973 hat eine kleine Truppe „Dornröschen“ auf der Kropsburg bei Edenkoben aufgeführt, was den Anstoß gab, regelmäßig gemeinsam Theater zu spielen. Auf der Suche nach einem festen Spielort wurden sie 1974 in der Klosterruine Limburg fündig.

„Unsere Theaterkulisse ist einfach etwas Besonderes“, schwärmt Dreyer. Etwa 400 Zuschauer finden in historischer Umgebung Platz. Bei Open-Air-Aufführungen sei man von dem ein oder anderen, meist wetterbedingten Problem natürlich nicht gefeit. „Nass geworden sind wir schon des Öfteren – auch das Publikum“, sagt der 60-Jährige. Das habe Schauspieler sowie Zuschauer aber wenig gestört. Ausfälle oder Abbrüche gab es selten.

Dreyer selbst war von Anbeginn dabei, musste aber auch klein anfangen. Bei Shakespeares „Romeo und Julia“ 1974 war er Statist. 40 Jahre später stand er in der Jubiläumsproduktion „Faust 1+“ in der Titelrolle auf der Bühne. An jedem Stück, das auf der Limburg Premiere hatte, war Dreyer in irgendeiner Form beteiligt. Nicht nur als Schauspieler und Regisseur, sondern ab und zu auch als Techniker, wenn ihm während des Studiums die Zeit zum Proben fehlte.

Über die Jahre hat sich das Theater an der Weinstraße laut Dreyer immer weiter professionalisiert. „Anfangs waren wir nur ein Haufen junger Leute, die Theater spielen wollten“, erinnert sich Dreyer. Organisation und Finanzierung waren da eher nebensächlich. Diese Pionierphase sei aber sehr spannend gewesen. Um bessere Strukturen zu schaffen, habe sich der bunte Haufen dann darauf geeinigt, einen Verein zu gründen, dem Dreyer seit 1999 vorsitzt.

In den 40 Jahren habe sich vieles geändert. „Heute ist das Publikum viel anspruchsvoller“, weiß Dreyer. „Da müssen wir uns natürlich anpassen.“ Seit einigen Jahren sei die Freilichtbühne mit professioneller Tontechnik ausgestattet, da mittlerweile viel mit Musik gearbeitet werde. Das wird auch bei „Oliver Twist“ so sein. Profimusiker Mario Fadani zeichnet, wie schon im letzten Jahr bei „Faust 1+“, für die musikalische Gestaltung und Einstudierung verantwortlich.

Ein Theaterstück zu stemmen, ist laut Dreyer, der hauptamtlich für das Kulturbüro der Stadt Bad Dürkheim arbeitet, sehr aufwendig. Der Verein müsse dafür fast 30 000 Euro aufbringen. 20 000 Euro würden etwa über Eintrittsgelder eingespielt, der Rest müsse durch Sponsoren abgedeckt werden. Die Programmhefte und der Kartendruck würden so finanziert. Charlotte Seeger

Freilufttheater in der Pfalz mit langer Tradition

Größte Freilichtbühne Südwestdeutschlands in Katzweiler – Theatertruppen bei Wahl der Stücke vielseitig

Bühnenproduktionen unter freiem Himmel haben in der Pfalz eine lange Tradition und sind beim Publikum sehr beliebt. Bemerkenswert ist, dass all diese Schauspieltruppen ausschließlich mit Laiendarstellern arbeiten und zahlreiche ehrenamtliche Helfer sich oft schon seit Jahrzehnten aufopferungsvoll für ihre Freilufttheater engagieren.

Die größte Freilichtbühne Südwestdeutschlands liegt in der westpfälzischen Ortschaft Katzweiler und bietet Platz für rund 1000 Besucher. In diesem Jahr werden ab dem 30. Mai, 16 Uhr, das Märchen „Die Schöne und das Biest“ im Kindertheater und für die Erwachsenen ab dem 13. Juni, 20.30 Uhr, die Komödie „Sugar – manche mögen’s heiß“ gezeigt.

Im Hof des „Ältesten Hauses Haßloch“ präsentiert die Laienspielgruppe „Theater im Hof“ jeden Sommer ein Theaterstück. Dieses Jahr wird eine neue Version des Kinder- und Jugendbuchklassikers „Momo“ von Michael Ende zu sehen sein, die am 3. Juli, 20 Uhr, Premiere hat. Armin Jung, Dekan des protestantischen Kirchenbezirks Neustadt, inszeniert und hat dafür die Romanvorlage fürs Theater bearbeitet.

Die „Neustadter Schauspielgruppe“ ist in den Sommermonaten im Park der unter Denkmalschutz stehenden Villa Böhm in Neustadt zu Hause. Wie die meisten Freilichtspieltruppen ist diese bei der Wahl der Stücke sehr vielseitig. Dieses Jahr bringt sie die Komödie „Shakespeares sämtliche Werke (leicht gekürzt)“ auf die Bühne. Der Vorhang hebt sich erstmals am 17. Juli, 20 Uhr.

In geschichtsträchtiger Kulisse wird auch in Altleiningen gespielt. Die Burgfestspiele wurden 1980 gegründet. Die Ehrenhalle der Burg, die Platz für 250 Besucher bereithält, ist Spielstätte des Laienensembles. Carl Zuckmayers Seiltänzerstück „Katharina Knie“ hat am 20. Juni, 20 Uhr, Premiere.

Auch in Landstuhl bietet eine Burgruine Spielfläche für eine Theatergruppe. Auf der Burg Nanstein gründeten sich 1963 die Burgspiele Landstuhl. Der Zuschauerbereich fasst bis zu 600 Besucher. In diesem Jahr wird das Stück „Verliebt, verhext, verdreht“ von Theo Schohl aufgeführt. Premiere ist am 4. Juli, 20 Uhr. scs

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