Herausforderung im Klassenzimmer

Landeskirche und Bistum wollen sich mit dem gemischt-konfessionellen Religionsunterricht beschäftigen

Bibel im Zentrum: In einigen Bundesländern haben evangelische und katholische Schüler gemeinsam Religionsunterricht. Foto: epd

Schon länger verlieren die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland Mitglieder. Dies hat Auswirkungen auf den Religionsunterricht in Deutschland. Auch weil der Anteil evangelischer und katholischer Schüler abgenommen hat, der Anteil konfessionsloser und muslimischer Schüler dagegen steigt, ist der rein evangelische oder katholische Religionsunterricht immer schwieriger zu bewerkstelligen.

Seit einigen Jahren schon gibt es daher in Bundesländern wie Niedersachsen und Baden-Württemberg Vereinbarungen zwischen Staat und Kirchen, die einen gemischt-konfessionellen Unterricht regeln. Die Lehrpläne von evangelischer und katholischer Religion ergänzen sich dabei; Schulen, die am Modell teilnehmen möchten, stellen Anträge an die beiden kirchlichen Stellen. Anschließend muss die Genehmigung von staatlicher Stelle erteilt werden.

Seit Herbst bietet Berlin diese Form der ­Kooperation als erstes Bundesland flächendeckend in allen Schultypen an. Zuletzt besuchten den evangelischen Religionsunterricht – dort Wahlfach – rund ein Viertel aller Schüler. Im Schuljahr 2018/2019 will nun auch Nordrhein-Westfalen dieses Modell einführen. Lediglich das Bistum Köln hat eine entsprechende Vereinbarung der Kirchen nicht unterschrieben.

Noch in diesem Jahr wollen nun das Bistum Speyer und die Evangelische Kirche der Pfalz einen Gesprächsprozess beginnen, in dem die Möglichkeiten eines konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts ausgelotet werden. Dies erklärten Thomas Niederberger, Leiter des Amts für Religionsunterricht in der Evangelischen Kirche der Pfalz, und Markus Herr, Sprecher des Bistums Speyer, gegenüber dem KIRCHENBOTEN. Das Bistum nehme als Grundlage für die Gespräche den vor einem Jahr von der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlichten Text „Die Zukunft des konfessionellen Religionsunterrichts – Empfehlungen für die Kooperation des katholischen mit dem evangelischen Religionsunterricht“.

Denn die Zahlen sprechen in Rheinland-Pfalz eine deutliche Sprache: Waren im Schuljahr 2006/2007 nach Erhebungen des Statistischen Landesamts noch 34 Prozent der Schüler an allgemeinbildenden Schulen evangelisch, lag der Anteil im vergangenen Schuljahr bei nur noch 30. Der Anteil von Schülern mit katholischer Konfession sank von 46 auf 40 Prozent. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil konfessionsloser Schüler von zehn auf mehr als 15 Prozent. Zehn Prozent waren im vergangenen Schuljahr Muslime.

„Der Anteil der nicht-evangelischen Schüler steigt“, konstatiert Niederberger. Doch sei der Religionsunterricht in der Breite stabil. Auch die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Trier bestätigt: „Eine Tendenz zu weniger Religionsunterricht in der Pfalz ist weder im Bereich Grundschulen, Realschulen plus noch Integrierten Gesamtschulen und Gymnasien zu erkennen.“

Unterschiede beim Unterrichtsbesuch sind im Vergleich von Stadt und Land zu finden. Während im Donnersbergkreis im vergangenen Schuljahr 78 Prozent aller Schüler evangelischen oder katholischen Religionsunterricht besuchten, waren es in der Stadt Ludwigshafen nur 53 Prozent. Beachtenswert ist, dass der Besuch des Ethikunterrichts in beiden Fällen in den vergangenen zehn Schuljahren um rund sieben Prozentpunkte zunahm. In Rheinland-Pfalz wählten im vergangenen Schuljahr im Schnitt 21 Prozent das Fach Ethik (2006: 13 Prozent).

Trotzdem will Niederberger von keinem generellen Ethiktrend sprechen, spricht sich aber dafür aus, auch für Rheinland-Pfalz die Idee eines konfessionell-kooperativen Unterrichts zu diskutieren. Schließlich sei es in kleinen Grundschulen schon oft so, dass konfessioneller Unterricht in Klassenstufe 1 und 2 nur noch klassenstufenübergreifend möglich sei. Dies liege häufig auch an der zurückgehenden Schülerzahl. Laut ADD soll eine Lerngruppe im Fach Religion oder Ethik mindestens acht Schüler umfassen. Doch erlaubt die Verwaltungsvorschrift „Unterrichtsorganisation in der Grundschule“ auch kleinere Gruppen: „Sofern Lehrerwochenstunden zur Verfügung stehen, können auch Lerngruppen unter acht Schülerinnen und Schülern gebildet werden, sofern dadurch kein Unterrichtsausfall entsteht“, heißt es darin.

Religionsunterricht, der Kinder verschiedener Klassen zusammenwürfele, sei auch an Förderschulen längst Realität, sagt Brigitte Beil, Leiterin des Religionspädagogischen Zentrums in Kusel. In den einzelnen sogenannten Lernstufen der Förderschule seien im Schnitt acht bis zwölf Kinder, davon im Durchschnitt nicht mehr als drei mit gleicher Konfession, erklärt die Rektorin im Kirchendienst, die auch Fachberaterin für Förderschulen ist. So mache es keinen Sinn, lernstufenübergreifend Gruppen einzurichten. Wenn man dies tue, sei damit höchstens der Pflicht Genüge getan. Organisatorisch mache neben den geringen Schülerzahlen mit religiösem Bekenntnis aber auch die mangelnde Zahl genügend ausgebildeter Kollegen zu schaffen, sagt Beil.

Laut Thomas Niederberger hat die Landeskirche 100 Gestellungsverträge zum Volleinsatz im Schulunterricht mit Evangelischer Religion, davon 71 in Vollzeit. Sechs davon sind Religionspädagogen in Förder- und Grundschulen, 42 an Berufsbildenden Schulen und 53 an Gymnasien oder Integrierten Gesamtschulen. „Vor allem an Berufsbildenden Schulen sei der Ausfall sehr hoch“, sagt Niederberger. An der Fachoberschule sehe es wieder besser aus.

„Es fehlen Lehrer in der Grundschule“, sagt Pfarrer Rainer Huy, Leiter des Religionspädagogischen Zentrums Spey­er und Regionaler Beauftragter des Amts für Religionsunterricht. Trotzdem gebe es oft Probleme bei der Einstellung. Das liege häufig an der Frage der Fächerkombination der angehenden Lehrer, die sich so über viele Jahre mit Vertretungsdiensten über Wasser hielten. Ein konzeptionell guter konfessionell-kooperativer Unterricht sei sicher zu diskutieren. Huy warnt aber schon im Vorfeld davor zu denken, es handele sich dabei um ein Sparmodell. Ein Unterricht mit mehreren Lehrern, die sich abwechseln, werde sicher nicht billiger.

Eine noch größere Herausforderung wäre es, wenn ein gemeinsamer Religionsunterricht noch die muslimischen Schüler mit einschließen würde, sagt Georg Wenz, Beauftragter für Islamfragen in der pfälzischen Landeskirche. Nach Angaben des Bildungsministeriums Rheinland-Pfalz besuchen rund zehn Prozent der muslimischen Schüler evangelischen oder katholischen Religionsunterricht. Rund 50 Prozent besuchen Ethikunterricht, 30 Prozent herkunftssprachlichen Unterricht mit Anteilen Religion. Seit 2004 gibt es dazu Islamunterricht in Rheinland-Pfalz, bisher an Schulen in Ludwigshafen und Bad Dürkheim. Zwar hätten Muslime und Aleviten Interesse an bekenntnisorientiertem Unterricht, im Lehrplan sei aber auch der Blick auf andere monotheistische Religionen enthalten, sagt Wenz. Es gebe auch Stimmen, die sich in einer pluralen Gesellschaft für einen gemeinsamen Unterricht aussprechen.

An der Theodor-Heuss-Schule im hessischen Offenbach ist man bereits so weit. Hier werden Muslime, Katholiken, Protestanten und Atheisten in einem Modellprojekt gemeinsam unterrichtet. Ausgangspunkt war hier der hohe Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund, der bei rund 70 Prozent liegt. Entwickelt wurde ein Curriculum, das die drei Religionen Judentum, Christentum und Islam in den Blick nimmt, in Bezug zu den Begriffen „Toleranz“ und „Dialog“. Auch säkulare Weltanschauungen sind Thema. Florian Riesterer  

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