Nicht immer willkommene Gäste

In vielen Kirchtürmen brüten Dohlen und Turmfalken – Ehrenamtliche kümmern sich um Nistkästen

Kontrolliert regelmäßig die Nester in der protestantischen Kirche in Weisenheim am Berg: Siegfried Roßmann. Foto: Riesterer

In luftiger Höhe: Einflugloch in Bobenheim am Berg. Foto: Bolte

Schon bevor die Dohlen zu sehen sind, sind sie zu hören. Zwei sitzen auf dem Dach der protestantischen Kirche in Bobenheim am Berg und beobachten die Eindringlinge, die sich auf den Weg in Richtung Turm machen. Weitere Vögel haben sich offenbar im nahen Baum niedergelassen, was Siegfried Roßmann unangenehm zu spüren bekommt. „Das war jetzt eine Dohle“, sagt der ehemalige Presbyter zu einem weiß-lila Klecks auf seinem Arm.

Seit rund 25 Jahren kümmert sich Roßmann um die selbst gebauten Nistkästen in den Türmen der protestantischen Kirchen in Bobenheim und Weisenheim am Berg. Früher nistete in Bobenheim eine Schleiereule, seit ein paar Jahren sind es Dohlen. Die waren einst durch ein Loch in den Turm gekommen, wo ihr Nest den Uhrmechanismus lahmlegte, sagt Roßmann.

Inzwischen läuft der Flugverkehr in geordneten Bahnen. Lediglich die Nistkästen muss Roßmann regelmäßig nach der Brutsaison leeren, damit nicht Milben und andere Schädlinge überhandnehmen. Aber auch dann bewohnen die Vögel das Jahr über weiter den Kasten, sagt der Vogelexperte. In Mitleidenschaft gezogen wurden in der Vergangenheit nur die Zeiger der Uhr unter dem oberen der zwei Einfluglöcher. Weil sie häufiger als Sitzbank der Dohlen dienten, laufen sie nicht mehr rund.

Trotzdem wollen Roßmann und Pfarrer Helmut Meinhardt an den Nistkästen festhalten. Viele Kirchengemeinden sehen das ähnlich, nicht erst seit der Aktion Lebensraum Kirchturm. Dabei werden Kirchen ausgezeichnet, die sich für den Vogelschutz einsetzen. Eine solche Plakette trägt die Stadtkirche Annweiler. Dohlen nisteten hier schon länger. Die Nabu-Gruppe Annweiler-Hauenstein machte es den Vögeln mit einem Kasten in der Nische eines Schallfensters einfacher. „Das Fenster ist mit Draht versperrt, damit die Vögel nicht in den Turm fliegen“, sagt Nabu-Mitglied Hans Joachim Fette. Bedenken, dass der Kasten Tauben anlockt, hat er nicht. „Die Dohlen wehren sich.“

Allerdings sieht Birgit Müller, Glockensachverständige der Landeskirche, Vögel in Kirchtürmen als Problem. Sie habe bereits bei Kirchen Bedenken geäußert, da Äste aus Nestern in die Steuerung der Glocken geraten könnten, erklärt sie. Durch Kot verdreckte Glockenstuben kenne sie zur Genüge durch ihre Arbeit, plädiert deshalb dafür, den Vögeln außerhalb des Turms Nistmöglichkeiten anzubieten.

„Friedliche Koexistenz“, nennt aus diesem Grund Pfarrer Dietmar Wenzel sein Verhältnis zu den rund zehn Dohlen im Kirchturm der Kirche St. Michael in Rohrbach. Die Vögel kämen durch ein Loch in den Turm. „Alle zwei Jahre müssen wir alles gründlich sauber machen“, sagt er. Die Nistkästen, die man den Vögeln angeboten habe, seien offenbar zu unattraktiv. Und dicht machen könne man das Gemäuer nicht. „Die Balken schließen nicht ganz bündig mit der Wand ab“, sagt er. Wenzel hätte gerne die Falken zurück, die im Turm wohnten, oder die Schleiereule. Die seien reinlicher gewesen. Einen Vorteil hätten die Dohlen allerdings: Die Tauben sind jetzt weg.

Skeptisch wegen möglichem Schmutz im Turm war auch das Presbyterium von Limbach-Altstadt, als die Nabu-Ortsgruppe Altstadt kürzlich dafür plädierte, einen Schleiereulenkasten in der Elisabethkirche in Limbach zu installieren, sagt Küster Dieter Hock. Doch die Begehung habe gezeigt, dass die Eulen lediglich den Kasten erreichen. Ob er selbst oder andere die Nisthilfe sauber halten, sei noch nicht geklärt. Erst einmal müsse ja eine Eule einziehen. Nach Meinung der Vogelexperten Marion und Dieter Geib von der Ortsgruppe könnten den nachtaktiven Vögeln allerdings Turmfalken das Nest streitig machen. Obwohl der Nabu-Gruppe Landau ein Fall aus der Kirche in Mörzheim bekannt ist, wo Schleiereulen und Falken gemeinsam brüteten. Dort stieg die Eule einfach über die Falken hinweg, wenn sie nachts ausflog.

Dass ein Nistkasten alleine nicht reiche, um die Eule zu schützen, weiß Adolf Stauffer von der Nabu-Gruppe Donnersbergkreis. „50 Brutkästen haben wir in den vergangenen 42 Jahren für Schleiereulen aufgehängt“, sagt Stauffer. Sie hängen unter anderem in evangelischen Kirchen in Sippersfeld, Rockenhausen, Kalkofen, Münchweiler an der Alsenz, Finkenbach oder Münsterappel. Wo kein Platz im Turm war, musste mitunter auch der Speicher der Kirche herhalten. Allerdings seien in den jüngsten Jahren die Bestände stark eingebrochen. „Voriges Jahr hatten wir nur ein einziges Brutpaar“, sagt der 78-Jährige, der seit 44 Jahren im Nabu aktiv ist. Grund sei die Knappheit an Mäusen gewesen, der Beute.

Auch Siegfried Roßmann macht das mit für das Ausbleiben der Schleiereule in Bobenheim verantwortlich. Umso mehr freut er sich über den jungen Turmfalken, der in Weisenheim am Berg seine ersten Flugübungen absolviert. Selbst wenn dieser offensichtlich gerade mit den Dohlen in Streit gerät, scheint ihm der Nistkasten im Kirchturm gefallen zu haben. Ganz ohne Auszeichnung am Portal. Florian Riesterer

Aktion Lebensraum Kirchturm

Der Naturschutzbund Deutschland hat vor zehn Jahren mit dem Beratungsausschuss für das deutsche Glockenwesen die Aktion Lebensraum Kirchturm ins Leben gerufen. Mit einer Plakette werden Kirchen ausgezeichnet, die Nisthilfen anbieten. Mehr als 1000 Kirchen wurden bisher ausgezeichnet, 80 bis 100 Gemeinden kommen im Jahr dazu, sagt Kerstin Arnold vom Nabu Deutschland. 72 Kirchen in Rheinland-Pfalz tragen die Plakette, davon sieben evangelische in der pfälzischen Landeskirche.

Dass die Plakette nicht stärker verbreitet ist, erklärt Adolf Stauffer von der Nabu-Ortsgruppe Donnersbergkreis mit der Arbeit, die das Beantragen mache. So trägt in dieser Region nur eine von mehr als einem Dutzend Kirchen mit Nistmöglichkeit die Auszeichnung. Finanzielle Unterstützung zusammen mit der Plakette gibt es nicht. Vielmehr bedeuten die Nester zusätzliche Arbeit. So hat Dekanin Sieglinde Ganz-Walther, Pfarrerin der Zwölf-Apostel-Kirche Frankenthal, die immer wieder Turmfalken beherbergt, die Nabu-Regionalstelle Süd und die Nabu-Gruppe Frankenthal kontaktiert. Denn die Gemeinde will die Turmhaube erneuern, da der Sandstein der Verkleidung lose ist. „Die Experten haben uns bestätigt, dass oben gerade kein Gelege ist“, sagt Ganz-Walther. So können die Arbeiten beginnen. flor

Meistgelesene Artikel