Hinterm Deich ist schön musizieren

Pfälzisches Vokal Ensemble veranstaltet zum 20. Mal Ökumenische Kirchenmusiktage an der Nordsee

Aus dem Familienquartett Heinz Markus Göttsches hervorgegangen: Das Pfälzische Vokal Ensemble, hier in St. Peter Ording. Foto: Pohlit

Ein wenig müsse schon gefeiert werden, findet Maurice Antoine Croissant, seit 2011 Leiter des Pfälzischen Vokal Ensembles (PVE). Zwei Jahrzehnte lang, ohne Unterbrechung, hat der Kammerchor quasi in Eigenregie sein Projekt an der nordfriesischen Küste bedient, mit wachsendem Zuspruch und mittlerweile fest etabliert im Kanon der dortigen Sommerveranstaltungen.

Die „Ökumenischen Kirchenmusiktage an der Nordsee“ sind mehr als ein musikalisch verbrämter Urlaubstrip ans entgegengesetzte Ende der Republik. Zwischen Wattwanderung, Segeltörn und Strandkorb-Relaxen bewegen die Konzertangebote zum Innehalten, stille werden, Lauschen, vermitteln eine christliche Botschaft, verpackt in ein hochkarätiges musikalisches Outfit.

Hervorgegangen ist das Pfälzische Vokal Ensemble aus dem Familienquartett, mit dem der damalige pfälzische Landeskirchenmusikdirektor Heinz Markus Göttsche bereits Ende der 1960er Jahre konzertierte. Den Draht zu seiner nördlichen Heimat hatte Göttsche – er stammte aus Bad Oldesloe – nie gekappt. Freundschaftliche Verbindungen bestanden zudem auf die Insel Pellworm, dem sagenumwobenen Eiland vor der nordfriesischen Küste, berühmt durch seinen bizarren Kirchturm und die wunderbare Arp-Schnitger-Orgel in der Alten Kirche. Pellworm wurde zur Keimzelle der Musiktage.

Nach und nach weitete sich das Ensemble auf Kammerchorstärke, vorzeigbar eben auch bei sommerlichen Ausflügen in die „alte Heimat“. Mit nur einem Konzert? Bewahre – sowas gab’s bei Göttsche nicht. So war das Prozedere rasch etabliert: sieben Tage mit fünf Konzerten und einem Gottesdienst. Fixpunkte sind bis heute Pellworm, Nordstrand und St. Peter-Ording, seit 2012 ist Husum dabei. Die Einladungen zum Folgejahr werden dem Ensemble bei jedem Auftritt stets gleich mitgereicht.

Dass das „ökumenisch“ im Festivalnamen nicht bloße Makulatur ist, lässt sich denken. Lange Jahre waren die Musiktage auf Nordstrand, wo das Ensemble auch logiert, mit einem Kammerkonzert im „Dom“ der Altkatholischen Gemeinde eröffnet worden. Seit 2013 hat sich der Kontakt zur katholischen Gemeinde St. Knud gefestigt. In diesem Jahr wird es neben den Konzerten in Husum, Pellworm und St. Peter erstmals einen Abstecher nach Schleswig geben, in die Kirche St. Ansgar.

Dass Göttsche das Projekt Nordstrand mehr oder minder aus eigener Tasche finanzierte, verdient der Würdigung, zumal die Fortführung nach seinem überraschenden Tod 2010 zunächst auf der Kippe zu stehen schien. Maurice Antoine Croissant, als langjähriges Mitglied von Göttsche in die Nachfolge berufen, musste Wege der finanziellen Absicherung finden. Der Bezirkskantor betont die Ehrenamtlichkeit. „Ist für mich reine Freizeitgestaltung und macht einfach ungemein Spaß!“

Da die Landeskirche schon mit etlichen Ensembles gesegnet ist und kein weiteres unter ihre Fittiche nehmen wollte, gründete man einen gemeinnützigen Förderkreis, der aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden für genügend Polster sorgt, um Schülern und Studenten die Teilnahme zu ermöglichen. Alle Menschen mit Verdienst begleichen die Aufwendungen der Reise selbst.

Die vornehmlich jugendlichen Mitglieder rekrutieren sich ausnahmslos aus der musikalischen Elite der Landeskirche, etliche sind auch Mitglieder der Evangelischen Jugendkantorei, studieren Kirchenmusik, gehören dem Kammerchor Stuttgart oder dem SWR-Vokalensemble Stuttgart an.

Es ist die Mischung aus freundschaftlichem Miteinander und Musizieren auf brillantem Niveau, dazu das herb-schöne Flair der norddeutschen Landschaft mit ihren Schafherden, schier endlosen Radwegen, unbeschreiblichen Sonnenuntergängen und köstlichem Fisch, die trägt. Ein Gesamtkunstwerk, zum Süchtigwerden schön. Ab 31. Juli begeben sich die Pfälzer Lerchen wieder in Fahrgemeinschaft auf die mehr als 800 Kilometer lange Tour zum „Snack“ in die langjährigen Logis bei Mutter Maren und Ilse Ketelsen sowie Fahrradverleiher Ole, der alljährlich akribisch Plakate und Handzettel deponiert. Bis auf Weiteres also: moin, moin. Gertie Pohlit

Inselkonzert auf Pellworm

Immer donnerstags sind die PVEler „reif für die Insel“. Die Darbietung auf Pellworm beginnt schon um 15 Uhr. „Kinderkonzert“, pflegte Göttsche das scherzhaft zu nennen. Klar, die 17.30-Uhr-Fähre, die letzte Rückfahrmöglichkeit nach Nordstrand, darf nicht verpasst werden. Der mit Spannung verfolgte Prolog ist jeweils der Wetterbericht. Bei Sonne ist alles in Butter, sind Regen und Sturm im Angebot, freut sich die Truppe, wenn’s wenigstens vor dem Auftritt noch halbwegs trocken abgeht. Dann bleiben die Konzertklamotten verschont.

Die Fahrräder werden auf der Fähre mitgeführt, denn ab dem Anleger auf Pellworm müssen acht Kilometer zur Neuen Kirche pedaliert werden; fünf davon über den Damm, wo’s kräftig pfeift; rechts und links Nordsee, Wind kräftig und stets von vorne. Angekommen. Stellprobe. Es gießt. Prima, sagen die Veranstalter. Denn dann sind die Touristen froh, wenn’s Programm gibt. Die Kirche ist voll. Die Stammgäste sind auch wieder da – Touris, die ihren Urlaub seit Jahren so legen, dass sie den Auftritt nicht versäumen. Applaus verklungen, raus aus der Konzertmontur, rein in den Friesennerz. Es schüttet, der Regen kommt von vorn, der Wind auch. Wenn die Fähre erreicht ist, hängt die Zunge, stehen die Füße in den Schuhen unter Wasser. Aber dagegen haben die Nordfriesen zum Glück den „Pharisäer“ und die „Tote Tante“ erfunden. Und alle wissen: Nächstes Jahr, bei schönem Wetter, ist Pellworm der Traum. gpo

Ensemble-Auftritte in der Pfalz

Das Programm mit „Lauter Lieblingsstücken“ von Heinz Markus Göttsche bietet das Pfälzische Vokal Ensemble auch in der Pfalz zweimal dar. Dabei sollte man wissen, dass für Göttsche eigentlich jede Kirchenmusik ein Lieblingsstück war. Eine seiner oft bemühten und gern zitierten „Göttschessenzen“ lautete: „Wenn die gesamte Musik des Abendlandes nur aus diesem einen Stück bestünde – sie wäre unendlich reich!“ Dergestalt veredelt gedieh selbst eine schlichte Einsingübung unversehens zum Ereignis.

Am Samstag, 9. September, 18 Uhr, eröffnet das Ensemble in der Mar­tins­kirche die „38. Musikwochen Leinsweiler“. Am Sonntag, 10. September, 18 Uhr, tritt es in der Johanneskirche Pirmasens auf. Zu hören sind die Motetten „Verleih uns Frieden“ und „Das ist je gewisslich wahr“ von Heinrich Schütz aus der „Geistlichen Chormusik 1648“, Bachs Motette „Fürchtet euch nicht“, „Denn er hat seinen Engeln befohlen über Dir“ von Mendelssohn Bartholdy, Hugo Distlers Motette „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ sowie Monteverdis „Magnificat“. Für die Orgel-Intermezzi hat Gernot Gölter Stücke von Jan Pieterszoon Sweelinck, Hermann Schröder, Reger und Bach (Dorische Toccata) vorbereitet.

Sollte kräftig applaudiert werden, wird der verstorbene Ensemble-Gründer selbst „zu Wort und Ton kommen“ mit der Motette „O Herr, mach mich zum Werkzeug Deines Friedens“. Der Eintritt ist jeweils frei, Spenden dagegen sind hochwillkommen. gpo

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